Sonntag, 23. Februar 2014

Polnische Hochzeit und andere Kuriositäten. Teil 1: Hochzeitsvorbereitungen


Da ich mich schon seit einiger Zeit mit dem Thema „Heiraten in Deutschland“ beschäftige, wird es auch schon Zeit, dass ich ein paar Worte für die deutschen Leser schreibe. Wie wird das in Polen gemacht? Es besteht kein Zweifel daran, dass eine Hochzeit eines der größten und wichtigsten Ereignisse im Leben einer polnischen Familie ist.


Polen sind sehr stolz auf die Art und Weise, in der sie Hochzeiten feiern.

"Polnische Hochzeit - eines der Dinge, worum andere Länder uns beneiden können".

Quelle: s. o. 

Normalerweise bereitet man sich auf eine Hochzeit mindestens ein Jahr oder auch zwei, drei Jahre im Voraus vor. Hochzeiten, die spontan organisiert werden, sind eher selten. Dafür entscheiden sich eher sehr moderne und emanzipierte Paare, die in einer Großstadt leben oder diejenigen, die aufgrund einer Schwangerschaft „heiraten müssen“, wie man es schön formuliert. Es wird darauf geachtet, dass alles in der „richtigen“ Reihenfolge läuft: zuerst heiratet man, dann kriegt man Kinder. Die Aussage meiner Bekannten, die nach Deutschland ausgewandert war: „Mit der Hochzeit warten wir, bis unser Sohn groß genug ist, um uns die Ringe zu reichen“, ist in Polen in der Regel schwer umzusetzen.

 Ich kenne viele Paare, die nur geheiratet haben, weil ein Kind unterwegs war. Von großer Liebe und langjähriger Beziehung konnte nicht die Rede sein, eher von Zufall und jugendlicher Schwärmerei. Und obwohl alles darauf deutete, dass die jungen Menschen noch nicht reif sind, um sich für ewig zu binden, geschweige denn ein gemeinsames Kind zu erziehen, geheiratet wurde trotzdem: so stark war der Familiendruck und die Überzeugung, dass das Kind ein eheliches Kind sein, den Namen des Vaters tragen soll. Manchmal greift man zum schlauen Ausweg, indem man nur standesamtlich heiratet. Nach einer Scheidung kann man doch nochmals heiraten, auch kirchlich, was auch für eine größere und schönere Zeremonie steht. Aber lassen wir solch negative Beispiele und konzentrieren uns auf ein glückliches Paar, das nicht heiraten muss, sondern will.


"Ein Fotograf aus einer Großstadt - gebucht, goldenes Streusel auf Erdbeeren im Dessert, der Termin zwei Jahre im Voraus ausgemacht, Einladungen durch einen Kurier versendet, eine Limousine für 2.500 Zloty, 125 Gäste aus dem ganzen Land, ein Hochzeitsstrauß für 200 Zloty.

 Die Miene der Menschen, die hören, dass sich nach dem Ganzen im Leben eigentlich nichts ändert, unbezahlbar".

Quelle: s. o.

Wieso beginnt man mit den Vorbereitungen eigentlich so früh? Also, es gibt viele Gründe dafür und die Rücksichtnahme, dass sich alle Familienmitglieder zwei freie Tage zum feiern einplanen sollten, spielt dabei nicht die wichtigste Rolle.

Die Polen gelten als abergläubische Menschen - und es stimmt tatsächlich. Die Mehrheit ist zudem katholisch geprägt. Selbst wenn die Kinder und Enkel keine Kirchengänger sind, wird immerhin darauf geachtet, dass „anständig“ (was normalerweise „kirchlich“ bedeutet) geheiratet wird. Die Frage „Was würden die Leute bloß sagen?!“ erweist sich oft als zentrales Problem der Familie.

Erstens, es gibt spezielle Zeiträume, in denen man heiraten sollte. Die Hochzeitssaison beginnt ab dem 24. Dezember und dauert die ganze Weihnachtszeit, den Karneval, bis zur Fastenzeit. Da wird nicht geheiratet, zumindest kirchlich. Nach einer längeren Pause kommen wir zu Ostern. Ab dem Zeitpunkt darf man bis zum Advent heiraten.

Aber… In Polen glaubt man, dass der Buchstabe „R“ Glück bringt und deswegen werden die Monate bevorzugt, die ein „R“ im Namen haben: marzec (März; wobei in dem Monat in der Regel auch Fastenzeit ist), czerwiec (Juni), sierpień (August), wrzesień (September), październik (Oktober), grudzień (Dezember; ab dem 24.). Auch April (kwiecień) und Juli (lipiec) genießen große Beliebtheit, obwohl sie über kein „R“ verfügen. Der Monat Mai (maj) hat sich in den letzten Jahrzehnten etabliert. Er gilt als ein der Gottesmutter gewidmeter Monat, was sich früher darin zeigte, dass in dieser Zeit wenige oder keine Hochzeiten organisiert wurden. Der November hat weiterhin einen schlechten Ruf - nicht nur aufgrund des miesen Wetters. Althergebracht ist er den Verstorbenen gewidmet. Kein Wunder, dass vor einigen Jahren eine novembrige Trauung eines Witwers das Gesprächsthema Nr. 1 in meiner Stadt wurde.

Traditionell wird am Samstag geheiratet. Da in Polen zwei Tage gefeiert wird, erwies sich dies als sehr praktisch. Längst vergessen sind die Zeiten, in denen es vom Pfarrer sogar verboten wurde, an dem Tag zu heiraten - mit der Begründung, dass die Hochzeitgesellschaft am Sonntag nicht zum Gottesdienst käme.

Nun ist schon klar, warum man sich mit der Planung einer Hochzeit so früh beschäftigt; denn: wie viele Samstage in der Hochzeitssaison gibt es im Jahr? Deutlich weniger, als willige Paare. Deswegen gilt oft die Regel: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.


Wegen der geringen Anzahl der passenden Termine, lässt es sich wunderbar spekulieren.

Quelle: nto.pl


Hier lassen sich wunderbar schmierige Geschäfte machen. Dies ruft  Spekulanten auf den Plan, die viele Termine reservieren und den willigen Paaren abtreten. Dafür verlangen sie ein Vermögen -  von einer Spanne zwischen 2.000 und 6.000 Zloty ist die Rede.

Die wichtigsten Termine, die vereinbart werden müssen, sind die im Pfarramt, im Hochzeitslokal und mit der Hochzeitsband. Die zwei letzteren haben ihre Terminkalender oft zwei, drei Jahre im Voraus prall gefüllt. Und wieder bestätigt sich das oben zitierte Sprichwort.

Anders als das in Deutschland häufig ist, wird die Hochzeit eher als eine Familienfeier gesehen. Es werden vor allem Verwandte eingeladen, dazu noch Freunde des Paares; die erste Gruppe bildet die Mehrheit. Arbeitskollegen und Arbeitskolleginnen kommen mit Begleitung, wenn sie mit dem Paar eng befreundet sind, ansonsten kommt „eine Delegation“ aus der Firma. Dass man in einem Blasorchester oder in einem Fußballverein spielt, bedeutet nicht automatisch, dass man die Leute einlädt. Die Polen sind sowieso keine Vereinsmenschen. Die Anzahl der Gäste schwankt deshalb zwischen 70 und 120 Personen, je nach Größe der Familie und ihren finanziellen Möglichkeiten.

Wenn es um die Einladungen geht, ist ein weiterer Unterschied zwischen Deutschland und Polen zu beobachten. In Polen werden sie fast immer von einer speziellen Firma gedruckt oder bei einem/einer  KunsthandwerkerIn bestellt. Dies betrifft auch die Speisekarten und Namensschilder, wenn sie überhaupt vorgesehen sind. Selbstgebasteltes habe ich noch nie erlebt. Es gibt einfach keine Tradition, wenig Bastelbedarfe (wichtige Anmerkung: das Wort „basteln“ existiert im Polnischen nicht). Ich glaube, man hat Angst, die Gäste könnten auf die Idee kommen, man wollte es selber machen, weil man an allen Ecken und Kanten sparen möchte. Und dies ist genau das, was man nie zeigen würde! Eine Hochzeit ist schließlich Ehrensache und oft eine Demonstration des Wohlstandes der Familie.


Jeder Pole kennt das Sprichwort "Zastaw się, a postaw się". Es darf an nichts fehlen, man darf sich sogar verschulden.

"Wir beginnen ein neues, gemeinsames Leben. Deswegen lass uns all unsere Ersparnisse für eine Party ausgeben!"

Quelle: s. o.

Hiermit kommen wir zu den Finanzen. Vor zig Jahren war die Situation, wer was bezahlen soll, noch klar. Der Tradition nach, hat der Bräutigam seinen Anzug bezahlt, die Ringe, den Blumenstrauß, die Getränke, die Band und das Auto. Die Braut (besser gesagt: ihre Familie) - den Rest.

Heutzutage trägt man die Kosten zur Hälfte, wobei das Geld ebenfalls vom Brautpaar stammt und nicht nur von deren Eltern. Häufig folgt man auch dem Motto: „jeder zahlt für seine Gäste“, besonders wenn es ein Missverhältnis in der Größe der beiden Familien gibt. Üblich ist es ansonsten, einen Bankkredit aufzunehmen.

Eine polnische Hochzeit kostet insgesamt, mit allem drum und dran, ungefähr 20.000 Zloty. Da dies eine große Summe ist, erhofft man sich, zumindest einen Teil davon in Form von Geschenken erstattet zu bekommen.


"Wir wollten eine schöne Hochzeit haben. Deshalb haben wir einen Kredit auf 10 Jahre aufgenommen. Getrennt haben wir uns allerdings nach zwei Jahren".

Mag sein, dass dies ein Schicksal vieler polnischen Paare ist.

Quelle: s. o.


Als meine Eltern 1975 geheiratet hatten, haben sie vor allem Gegenstände bekommen, sprich: Handtücher, Bettwäsche, zwei Kaffeeservices, eine Holzschale, ein Besteck, unzählige, damals hochmoderne Kristallvasen, Tischdecken und eine Uhr. Die Dorfverwandten spendeten ihnen Eier, Sahne und Fleisch. Die Zeiten sind allerdings längst vorbei.

Klar, dass man unter den Geschenken immer noch ein paar Must-haves (wie Handtücher) findet, sie stammen jedoch von Nachbarn oder Leuten, die zur Hochzeit nicht eingeladen waren. Man schenkt dem Brautpaar in der Regel zwischen ca. 300 und 1.000 Zloty, je nachdem, ob man mit ihnen eng verwandt ist, ob man alleine oder samt vierköpfiger Familie kommt etc.

Üblich ist auch, dass die Hochzeitsfamilie für sich nach der Hochzeit eine Liste der Spender und Geschenke erstellt. Sie wird danach im engsten Familienkreis eifrig kommentiert und erledigt z. B. die Frage, wie viel Geld man dem im nächsten Jahr heiratenden Cousin schenken soll: ungefähr das Gleiche.

Eine doppelte Hochzeitszeremonie, d.h. eine standesamtliche und kirchliche Trauung, wie es noch im Kommunismus war, feiert man nicht mehr. Seit 1998 gibt es einen Vertrag (Konkordat) zwischen polnischem Staat und der römisch-katholischen Kirche, der eine nur kirchliche, staatlich anerkannte Zeremonie zulässt. Dies bedeutet, dass die Konkordatstrauung (ślub konkordatowy) sowohl kirchliche als auch gesetzliche Folgen hat. Die Ehe wird vom Pfarrer im Standesamt gemeldet.

Die Möglichkeit, sich nur standesamtlich zu trauen (ślub cywilny), besteht immer noch.

Die letzte Option, nur kirchlich zu heiraten (ślub kościelny), ist auch theoretisch möglich, gestaltet sich aber kompliziert. Man muss einen Antrag im Bistum stellen und die Gründe, warum man nicht standesamtlich heiraten will, gut darlegen. Ein Bischof kann dem Antrag zustimmen oder ihn ablehnen.

Ein absolutes Muss bei der kirchlichen Trauung in Polen ist eine Bescheinigung des Ehevorbereitungskurses. Damit legt die katholische Kirche einen großen und schweren Stolperstein in den Weg der Trauungswilligen.


Ein Plakat eines Ehevorbereitungskurses

Quelle: Internet


Anders als das in Deutschland ist, ist der Ehevorbereitungskurs keine nette Zusatzoption, sondern Pflicht. Wie der Kurs selber gestaltet wird, hängt erfahrungsgemäß von der jeweiligen Gemeinde und dafür zuständigen Personen ab. Die Treffen ähneln einem Vortrag oder einer Gesprächsrunde, dauern Meistens zwei, drei Monate (wobei man sich einmal oder zweimal pro Woche trifft) und kosten nichts oder wenig. Es besteht auch die Möglichkeit, wenn auch nicht überall, einen teureren aber intensiveren Wochenendkurs zu machen.

Im Idealfall gliedert sich der Ehevorbereitungskurs in drei Teile. Während der ersten Runde trifft man sich mit einem Pfarrer, der den Sinn der Ehe und die Rechte und Pflichten der Eheleute schildert sowie den Verlauf der Zeremonie darstellt. Es wird die offizielle  Stellung der katholischen Kirche zu Themen wie „Sex vor der Ehe“, in vitro oder verpönte Verhütungsmethoden besprochen.

Oft hat man dabei das Gefühl, dass an der Einhaltung des Gesagten, alle (samt Pfarrer) zweifeln. Diskussionslustige finden sich selten, was allgemein ein charakteristisches Merkmal im Vergleich zu Deutschland ist. Erstens: man weiß, dass es so gesagt werden muss, zweitens: eine Doppelmoral ist niemandem fremd, drittens: man will seine problemlose Bescheinigung bekommen, d.h. den Kurs einfach abhaken.

Der zweite Teil der Reihe wird von anderen Spezialisten übernommen, wie Familienberater, Religionslehrer, Psychologen, Sexuologen oder Frauenärzte. Hier lernt man die natürlichen und von der Kirche zulässigen Verhütungsmethoden kennen und erfährt über das Sexualleben in der Ehe.

Während des dritten Teils, der allerdings nicht immer stattfindet, trifft man sich mit einem Ehepaar, das über seine ehelichen Erfahrungen spricht.

Nach dem Ehevorbereitungskurs muss man noch zwei oder drei Treffen in der Katholischen Familienberatungsstelle absolvieren, die vor allem der Kalender-, Temperatur- und Billingsmethode gewidmet sind.



Nachdem man einen Ehevorbereitungskurs und Treffen in der Katholischen Familienberatungsstelle absolviert hat, geht es noch zur Beichte.

Foto: Polschland

Auch wenn es um das Beichtsakrament geht erweist sich die katholische Kirche in Polen vielmals strenger als in Deutschland. Kurz vor der bevorstehenden Hochzeit muss man zweimal zur Beichte gehen, was auch bescheinigt wird.

Nachdem alle Vorbereitungen getroffen wurden, darf man heiraten. Aber wie es weiter geht, erfahren Sie im nächsten Eintrag! :)

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