Da ich mich schon seit
einiger Zeit mit dem Thema „Heiraten in Deutschland“ beschäftige, wird es auch
schon Zeit, dass ich ein paar Worte für die deutschen Leser schreibe. Wie wird
das in Polen gemacht? Es besteht kein Zweifel daran, dass eine Hochzeit eines
der größten und wichtigsten Ereignisse im Leben einer polnischen Familie ist.
Polen sind sehr stolz auf die Art und Weise, in der sie Hochzeiten feiern.
"Polnische Hochzeit - eines der Dinge, worum andere Länder uns beneiden können".
Quelle: s. o.
Normalerweise bereitet man
sich auf eine Hochzeit mindestens ein Jahr oder auch zwei, drei Jahre im Voraus
vor. Hochzeiten, die spontan organisiert werden, sind eher selten. Dafür
entscheiden sich eher sehr moderne und emanzipierte Paare, die in einer
Großstadt leben oder diejenigen, die aufgrund einer Schwangerschaft „heiraten
müssen“, wie man es schön formuliert. Es wird darauf geachtet, dass alles in
der „richtigen“ Reihenfolge läuft: zuerst heiratet man, dann kriegt man Kinder.
Die Aussage meiner Bekannten, die nach Deutschland ausgewandert war: „Mit der
Hochzeit warten wir, bis unser Sohn groß genug ist, um uns die Ringe zu reichen“,
ist in Polen in der Regel schwer umzusetzen.
Ich kenne viele Paare, die nur
geheiratet haben, weil ein Kind unterwegs war. Von großer Liebe und langjähriger
Beziehung konnte nicht die Rede sein, eher von Zufall und jugendlicher Schwärmerei.
Und obwohl alles darauf deutete, dass die jungen Menschen noch nicht reif sind,
um sich für ewig zu binden, geschweige denn ein gemeinsames Kind zu erziehen,
geheiratet wurde trotzdem: so stark war der Familiendruck und die Überzeugung,
dass das Kind ein eheliches Kind sein, den Namen des Vaters tragen soll. Manchmal
greift man zum schlauen Ausweg, indem man nur standesamtlich heiratet. Nach
einer Scheidung kann man doch nochmals heiraten, auch kirchlich, was auch für eine
größere und schönere Zeremonie steht. Aber lassen wir solch negative Beispiele
und konzentrieren uns auf ein glückliches Paar, das nicht heiraten muss,
sondern will.
"Ein Fotograf aus einer Großstadt - gebucht, goldenes Streusel auf Erdbeeren im Dessert, der Termin zwei Jahre im Voraus ausgemacht, Einladungen durch einen Kurier versendet, eine Limousine für 2.500 Zloty, 125 Gäste aus dem ganzen Land, ein Hochzeitsstrauß für 200 Zloty.
Die Miene der Menschen, die hören, dass sich nach dem Ganzen im Leben eigentlich nichts ändert, unbezahlbar".
Quelle: s. o.
Wieso beginnt man mit den Vorbereitungen
eigentlich so früh? Also, es gibt viele Gründe dafür und die Rücksichtnahme,
dass sich alle Familienmitglieder zwei freie Tage zum feiern einplanen sollten,
spielt dabei nicht die wichtigste Rolle.
Die Polen gelten als abergläubische
Menschen - und es stimmt tatsächlich. Die Mehrheit ist zudem katholisch
geprägt. Selbst wenn die Kinder und Enkel keine Kirchengänger sind, wird
immerhin darauf geachtet, dass „anständig“ (was normalerweise „kirchlich“
bedeutet) geheiratet wird. Die Frage „Was würden die Leute bloß sagen?!“ erweist
sich oft als zentrales Problem der Familie.
Erstens, es gibt spezielle Zeiträume,
in denen man heiraten sollte. Die Hochzeitssaison beginnt ab dem 24. Dezember
und dauert die ganze Weihnachtszeit, den Karneval, bis zur Fastenzeit. Da wird
nicht geheiratet, zumindest kirchlich. Nach einer längeren Pause kommen wir zu
Ostern. Ab dem Zeitpunkt darf man bis zum Advent heiraten.
Aber… In Polen glaubt
man, dass der Buchstabe „R“ Glück bringt und deswegen werden die Monate
bevorzugt, die ein „R“ im Namen haben: marzec (März; wobei in dem Monat in der Regel
auch Fastenzeit ist), czerwiec (Juni), sierpień (August), wrzesień (September),
październik (Oktober), grudzień (Dezember; ab dem 24.). Auch April (kwiecień)
und Juli (lipiec) genießen große Beliebtheit, obwohl sie über kein „R“
verfügen. Der Monat Mai (maj) hat sich in den letzten Jahrzehnten etabliert. Er
gilt als ein der Gottesmutter gewidmeter Monat, was sich früher darin zeigte,
dass in dieser Zeit wenige oder keine Hochzeiten organisiert wurden. Der
November hat weiterhin einen schlechten Ruf - nicht nur aufgrund des miesen
Wetters. Althergebracht ist er den Verstorbenen gewidmet. Kein Wunder, dass vor
einigen Jahren eine novembrige Trauung eines Witwers das Gesprächsthema Nr. 1
in meiner Stadt wurde.
Traditionell wird am Samstag geheiratet. Da in Polen
zwei Tage gefeiert wird, erwies sich dies als sehr praktisch. Längst vergessen
sind die Zeiten, in denen es vom Pfarrer sogar verboten wurde, an dem Tag zu
heiraten - mit der Begründung, dass die Hochzeitgesellschaft am Sonntag nicht
zum Gottesdienst käme.
Nun ist schon klar, warum man sich mit der Planung einer
Hochzeit so früh beschäftigt; denn: wie viele Samstage in der Hochzeitssaison
gibt es im Jahr? Deutlich weniger, als willige Paare. Deswegen gilt oft die
Regel: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.
Wegen der geringen Anzahl der passenden Termine, lässt es sich wunderbar spekulieren.
Quelle: nto.pl
Hier lassen sich wunderbar schmierige
Geschäfte machen. Dies ruft Spekulanten
auf den Plan, die viele Termine reservieren und den willigen Paaren abtreten.
Dafür verlangen sie ein Vermögen - von
einer Spanne zwischen 2.000 und 6.000 Zloty ist die Rede.
Die wichtigsten
Termine, die vereinbart werden müssen, sind die im Pfarramt, im Hochzeitslokal
und mit der Hochzeitsband. Die zwei letzteren haben ihre Terminkalender oft zwei,
drei Jahre im Voraus prall gefüllt. Und wieder bestätigt sich das oben zitierte
Sprichwort.
Anders als das in
Deutschland häufig ist, wird die Hochzeit eher als eine Familienfeier gesehen.
Es werden vor allem Verwandte eingeladen, dazu noch Freunde des Paares; die
erste Gruppe bildet die Mehrheit. Arbeitskollegen und Arbeitskolleginnen kommen
mit Begleitung, wenn sie mit dem Paar eng befreundet sind, ansonsten kommt
„eine Delegation“ aus der Firma. Dass man in einem Blasorchester oder in einem
Fußballverein spielt, bedeutet nicht automatisch, dass man die Leute einlädt. Die
Polen sind sowieso keine Vereinsmenschen. Die Anzahl der Gäste schwankt deshalb
zwischen 70 und 120 Personen, je nach Größe der Familie und ihren finanziellen
Möglichkeiten.
Wenn es um die Einladungen geht, ist ein weiterer Unterschied
zwischen Deutschland und Polen zu beobachten. In Polen werden sie fast immer
von einer speziellen Firma gedruckt oder bei einem/einer KunsthandwerkerIn bestellt. Dies betrifft auch
die Speisekarten und Namensschilder, wenn sie überhaupt vorgesehen sind. Selbstgebasteltes
habe ich noch nie erlebt. Es gibt einfach keine Tradition, wenig Bastelbedarfe
(wichtige Anmerkung: das Wort „basteln“ existiert im Polnischen nicht). Ich
glaube, man hat Angst, die Gäste könnten auf die Idee kommen, man wollte es
selber machen, weil man an allen Ecken und Kanten sparen möchte. Und dies ist genau
das, was man nie zeigen würde! Eine Hochzeit ist schließlich Ehrensache und oft
eine Demonstration des Wohlstandes der Familie.
Jeder Pole kennt das Sprichwort "Zastaw się, a postaw się". Es darf an nichts fehlen, man darf sich sogar verschulden.
"Wir beginnen ein neues, gemeinsames Leben. Deswegen lass uns all unsere Ersparnisse für eine Party ausgeben!"
Quelle: s. o.
Hiermit kommen wir zu den
Finanzen. Vor zig Jahren war die Situation, wer was bezahlen soll, noch klar. Der
Tradition nach, hat der Bräutigam seinen Anzug bezahlt, die Ringe, den
Blumenstrauß, die Getränke, die Band und das Auto. Die Braut (besser gesagt:
ihre Familie) - den Rest.
Heutzutage trägt man die Kosten zur Hälfte, wobei das
Geld ebenfalls vom Brautpaar stammt und nicht nur von deren Eltern. Häufig folgt
man auch dem Motto: „jeder zahlt für seine Gäste“, besonders wenn es ein
Missverhältnis in der Größe der beiden Familien gibt. Üblich ist es ansonsten,
einen Bankkredit aufzunehmen.
Eine
polnische Hochzeit kostet insgesamt, mit allem drum und dran, ungefähr 20.000
Zloty. Da dies eine große Summe ist, erhofft man sich, zumindest einen Teil
davon in Form von Geschenken erstattet zu bekommen.
"Wir wollten eine schöne Hochzeit haben. Deshalb haben wir einen Kredit auf 10 Jahre aufgenommen. Getrennt haben wir uns allerdings nach zwei Jahren".
Mag sein, dass dies ein Schicksal vieler polnischen Paare ist.
Quelle: s. o.
Als meine Eltern 1975 geheiratet hatten, haben sie vor
allem Gegenstände bekommen, sprich: Handtücher, Bettwäsche, zwei
Kaffeeservices, eine Holzschale, ein Besteck, unzählige, damals hochmoderne
Kristallvasen, Tischdecken und eine Uhr. Die Dorfverwandten spendeten ihnen
Eier, Sahne und Fleisch. Die Zeiten sind allerdings längst vorbei.
Klar, dass
man unter den Geschenken immer noch ein paar Must-haves (wie Handtücher)
findet, sie stammen jedoch von Nachbarn oder Leuten, die zur Hochzeit nicht
eingeladen waren. Man schenkt
dem Brautpaar in der Regel zwischen ca. 300 und 1.000 Zloty, je nachdem, ob man
mit ihnen eng verwandt ist, ob man alleine oder samt vierköpfiger Familie kommt
etc.
Üblich ist auch, dass die Hochzeitsfamilie für sich nach der Hochzeit eine
Liste der Spender und Geschenke erstellt. Sie wird danach im engsten Familienkreis
eifrig kommentiert und erledigt z. B. die Frage, wie viel Geld man dem im
nächsten Jahr heiratenden Cousin schenken soll: ungefähr das Gleiche.
Eine doppelte
Hochzeitszeremonie, d.h. eine standesamtliche und kirchliche Trauung, wie es noch im Kommunismus war, feiert man
nicht mehr. Seit 1998 gibt es einen Vertrag (Konkordat) zwischen polnischem
Staat und der römisch-katholischen Kirche, der eine nur kirchliche, staatlich
anerkannte Zeremonie zulässt. Dies bedeutet, dass die Konkordatstrauung (ślub
konkordatowy) sowohl kirchliche als auch gesetzliche Folgen hat. Die Ehe wird
vom Pfarrer im Standesamt gemeldet.
Die Möglichkeit, sich nur standesamtlich zu
trauen (ślub cywilny), besteht immer noch.
Die letzte Option, nur kirchlich zu
heiraten (ślub kościelny), ist auch theoretisch möglich, gestaltet sich aber
kompliziert. Man muss einen Antrag im Bistum stellen und die Gründe, warum man
nicht standesamtlich heiraten will, gut darlegen. Ein Bischof kann dem Antrag
zustimmen oder ihn ablehnen.
Ein
absolutes Muss bei der kirchlichen Trauung in Polen ist eine Bescheinigung des
Ehevorbereitungskurses. Damit legt die katholische Kirche einen großen und
schweren Stolperstein in den Weg der Trauungswilligen.
Ein Plakat eines Ehevorbereitungskurses
Quelle: Internet
Anders als das in Deutschland ist, ist der
Ehevorbereitungskurs keine nette Zusatzoption, sondern Pflicht. Wie der Kurs
selber gestaltet wird, hängt erfahrungsgemäß von der jeweiligen Gemeinde und
dafür zuständigen Personen ab. Die Treffen ähneln einem Vortrag oder einer Gesprächsrunde,
dauern Meistens zwei, drei Monate (wobei man sich einmal oder zweimal pro Woche
trifft) und kosten nichts oder wenig. Es besteht auch die Möglichkeit, wenn
auch nicht überall, einen teureren aber intensiveren Wochenendkurs zu machen.
Im
Idealfall gliedert sich der Ehevorbereitungskurs in drei Teile. Während der
ersten Runde trifft man sich mit einem Pfarrer, der den Sinn der Ehe und die
Rechte und Pflichten der Eheleute schildert sowie den Verlauf der Zeremonie
darstellt. Es wird die offizielle
Stellung der katholischen Kirche zu Themen wie „Sex vor der Ehe“, in
vitro oder verpönte Verhütungsmethoden besprochen.
Oft hat man dabei das
Gefühl, dass an der Einhaltung des Gesagten, alle (samt Pfarrer) zweifeln.
Diskussionslustige finden sich selten, was allgemein ein charakteristisches
Merkmal im Vergleich zu Deutschland ist. Erstens: man weiß, dass es so gesagt
werden muss, zweitens: eine Doppelmoral ist niemandem fremd, drittens: man will
seine problemlose Bescheinigung bekommen, d.h. den Kurs einfach abhaken.
Der zweite Teil der Reihe wird von
anderen Spezialisten übernommen, wie Familienberater, Religionslehrer,
Psychologen, Sexuologen oder Frauenärzte. Hier lernt man die natürlichen und
von der Kirche zulässigen Verhütungsmethoden kennen und erfährt über das
Sexualleben in der Ehe.
Während
des dritten Teils, der allerdings nicht immer stattfindet, trifft man sich mit
einem Ehepaar, das über seine ehelichen Erfahrungen spricht.
Nach dem Ehevorbereitungskurs muss
man noch zwei oder drei Treffen in der Katholischen Familienberatungsstelle
absolvieren, die vor allem der Kalender-, Temperatur- und Billingsmethode
gewidmet sind.
Nachdem man einen Ehevorbereitungskurs und Treffen in der Katholischen Familienberatungsstelle absolviert hat, geht es noch zur Beichte.
Foto: Polschland
Auch wenn es um das Beichtsakrament geht erweist sich
die katholische Kirche in Polen vielmals strenger als in Deutschland. Kurz vor
der bevorstehenden Hochzeit muss man zweimal zur Beichte gehen, was auch
bescheinigt wird.
Nachdem alle
Vorbereitungen getroffen wurden, darf man heiraten. Aber wie es weiter geht,
erfahren Sie im nächsten Eintrag! :)
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