Die Adventszeit ist fast vorbei, Weihnachten steht
vor der Tür. Höchste Zeit, um einiges über die polnischen Weihnachtsbräuche zu
schreiben. Beginnen wir mit dem Advent.
Anders als das in Deutschland üblich
ist, wird der Advent als eine ruhige und nachdenkliche Zeit der Vorbereitung und
Erwartung gesehen. Der deutsche Spruch „Die Vorfreude ist die schönste Freude“,
der am besten die vorweihnachtliche Stimmung
beschreibt, trifft in Polen auf Beschränkungen. Es wird nicht geheiratet und
getanzt, wenig gefeiert, die Discos stehen leer. Als ich meiner Freundin
berichtete, dass ich am 7. Dezember auf einem Weihnachtsball war, war sie
empört.
Die Tradition der fröhlichen Treffen auf dem Weihnachtsmarkt oder
sonntags zum Adventskaffee ist nahezu unbekannt, geschweige denn der Brauch,
sich „den schönen und besinnlichen 1.- 4. Advent“ zu wünschen.
Die Kirche
animiert die Gläubigen, während der vier Wochen auf etwas zu verzichten, z. B.
auf Süßigkeiten oder Alkohol (was hier in Deutschland mit Plätzchen und
Glühwein sicherlich schwer zu vereinbaren wäre).
Es wird ebenfalls empfohlen, mit
Weihnachtsdekorationen bis zum Heiligabend zu warten (nur der Adventskranz ist
eine Ausnahme). Das gleiche gilt auch für Weihnachtslieder. Die katholischen
Kinder besuchen fünfmal in der Woche eine spezielle Messe, roraty genannt;
entweder früh morgens oder abends. Zur Kirche trug ich, als ich noch klein
war, eine selbst gemachte Laterne. Der
Anfang der Messe fand immer in Dunkelheit statt, nur die Lichter der Laternen
waren zu sehen.
Roraty in Inowrocław
Quelle: krzyz.parafia.info.pl
In meiner Gemeinde war noch der Brauch üblich, dass man vor dem
Gottesdienst eine selbst gebastelte Karte in ein Körbchen warf, auf der stand,
welche guten Taten man am Tag zuvor vollbracht hatte. Nach der Messe wurde eine
gezogen und der glückliche Gewinner durfte einen Tag lang ein kleines
Christkindfigürchen bei sich zu Hause behalten. Später, als ich schon erwachsen
war, wurden die Preise auch interessanter (z. B. Bücher, Stifte etc.), um die
Kinder weiterhin zu motivieren.
In vielen Kirchen werden die Kärtchen mit guten Taten als Christbaumschmuck verwendet
Quelle: http://bernardyni.net
Jedes Kind musste noch zusätzlich nach der
Messe ein kleines Bildchen abholen. Sie wurden beim Ausgang von den
Ministranten verteilt. Die Bildchen mussten dann ordentlich ins Religionsheft
geklebt und angemalt werden. Die Sammlung wurde danach entweder in der Schule
oder vom Pfarrer, beim üblichen Hausbesuch, persönlich kontrolliert. Und wehe,
die Sammlung war nicht komplett! Wenn ich jetzt bedenke, dass meine Nichte (in
Deutschland) sage und schreibe lediglich neun Unterschriften als Bestätigung
dafür, dass sie zum Sonntagsgottesdienst gegangen war, vorzeigen muss, um zur
Erstkommunion zugelassen zu werden, merke ich, wie sich die Zeiten geändert
haben.
Heutzutage gibt es schon farbenfrohe Tafeln, wo die Bildchen aufgeklebt werden können. Jedes Jahr stehen roraty unter einem anderen Motto. Hier z. B. die Bibel. Dazu gibt es noch weitere Adventsmaterialien zu kaufen: Prädigttexte für Priester, Kirchendeko, CDs mit Liedern etc.
Quelle: http://malygosc.pl
Im Grunde genommen, kommt einem in Polen der Advent wie die Fastenzeit
vor. Auf jeden Fall war es früher so. Heutzutage ist es jedoch unmöglich, sich
vor dem Weihnachtswahnsinn in Kaufhäusern und Medien zu schützen. Es werden
Weihnachtsmärkte organisiert, obwohl noch nicht in so großer Zahl und Pracht
wie in Deutschland. Die Städte werden schon Anfang Dezember festlich dekoriert,
mit Tannen und Lichtern. Man spürt jedoch, dass die Tradition, die den Advent
als eine „gedämpfte und dunkle“ Zeit sieht, in den Menschen tief verankert ist.
Polnische Weihnachtsmärkte werden nach dem westlichen Vorbild organisiert. Die Standbetreiber stammen tatsächlich teilweise aus Deutschland, Holland und Österreich.
Quelle: http://www.gazetawroclawska.pl
Der bekannteste polnische Weihnachtsmarkt findet in Wrocław/Breslau statt
Quelle: http://www.wiadomosci24.pl
Es gibt eine fröhliche Ausnahme in dieser Periode, die für polnische Kinder
sehr willkommen ist: der Nikolaustag (mikołajki). Je nachdem, ob sich die christliche oder säkulare
Auffassung durchsetzen kann (was auch mit der Möglichkeit, ein Kostüm zu
organisieren, eng verbunden ist), kommt der Heilige Nikolaus (Święty Mikołaj)
oder nur Nikolaus/Weihnachtsmann (mikołaj) am 6. Dezember vorbei.
In jedem
Kindergarten und jeder Schule freut man sich schon auf seinen Besuch. Ein
Klingeln der Glocke ist zu hören und da kommt er: entweder als Bischof
verkleidet oder als eine rot-weiße Gestalt. Und zwei Begleiter hat er auch: ein
weiß gekleidetes Engelchen (aniołek) und einen frechen Teufel (diabeł), der nur Jux im Sinn hat.
Mikołaj, anioł, diabeł
Quelle: http://bajkoland.pl
Es
ist aber nicht so einfach, ein Geschenk vom Nikolaus zu bekommen. Der Heilige ist
oft sehr streng und deshalb auch ein wenig gefürchtet. Er stellt den Kindern
verschiedene Fragen („Warst du dieses Jahr brav?“) und Aufgaben. Man muss z. B.
über seinen Bischofsstab oder seine Rute springen, ein Gebet oder den Dekalog aufsagen bzw. ein
Lied singen. Der Teufel bewacht die Kandidaten und lauert auf ihre Fehler, der
Engel dagegen besänftigt den Heiligen und spendet Trost, wenn bei der Befragung
etwas schief geht.
Manchmal ist mikołaj sehr streng und seine Rute kommt zum Einsatz...
Quelle: http://www.ikamien.pl
Viele Eltern mieten eine
verkleidete Person, die dann ihre Kinder auch zu Hause besucht. Es ist in der
Regel ein Studentenjob. Obwohl in der
Adventszeit in der Regel keine Discoveranstaltungen stattfinden, macht man in
der Schule eine Ausnahme und organisiert Nikolauspartys.
- Mein Junge, wie heißt du denn?
- Spinnst du, Papa?!
Um solche Situationen zu vermeiden, empfiehlt es sich, einen professionellen mikołaj zu mieten.
Quelle: www.playhugelottos.com
Manchmal wurde aus dem fröhlichen Treffen ein Kindheitstrauma...
Quelle: http://joemonster.org/art/10531
In den schwierigen Zeiten des Kommunismus musste man improvisieren, wie man nur konnte. Eine Plastikmaske mit Mütze (westlicher Herkunft), dazu ein roter Bademantel, Schal und Gummistiefel mussten oft reichen. Das Kind scheint zufrieden zu sein - auch wegen der zahlreichen Geschenke. Alle wurden in bunte Plastiktüten verpackt, seinerzeit ein Luxussymbol in Polen.
Quelle: http://joemonster.org/art/10531
Ein älteres Foto zeigt eine andere Mutation des Nikolaus. Hier trägt er eine selbstgebastelte Bischofsmütze aus Karton sowie einen langen weißen Bart aus Watte. Der Schnurrbart musste aus technischen Gründen mit einem schwarzen Stift aufgemalt werden. Dem Nikolaus wurde auch eine rote Nase verpasst (Mamas Lippenstift). Dazu noch obligatorische Gummistiefel, fast in jedem polnischen Haushalt vorhanden. Andere Elemente der Verkleidung ähneln einem Schäfer: ein Schafsfellmantel mit Innenfutter nach außen und ein Stab (Opas Gehstock).
Quelle: http://joemonster.org/konkurs/57/pokaz/strona/1
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen