Sonntag, 29. Dezember 2013

Weihnachten in Polen / Święta Bożego Narodzenia w Polsce



Wenn jemand Näheres über Weihnachten in Polen erfahren möchte, sollte ihm die Macht der Tradition klar werden. Das ist eigentlich das Schlüsselwort, das die Polen in den drei Tagen begleitet.

Wenn es um ihre eigenen Sitten geht, sind meine Landsleute sehr konservativ und egozentrisch. Man weiß ungefähr, dass es in anderen Ländern auch andere Weihnachtsbräuche gibt, aber dies ist ja eigentlich egal - die eigenen sind sowieso am schönsten. Und nirgendwo auf der ganzen Welt ist Weihnachten so schön wie in Polen. Punkt. Ich glaube, dass Weihnachten in Polen so verehrt wird, da an den Tagen die Tradition so lebendig und beachtet wird.

Die Krönung der drei Feiertage ist Wigilia, d.h. Heiligabend. Am 24. Dezember haben die Schulen frei, Geschäfte und andere Einrichtungen arbeiten jedoch bis ca. 14. Uhr. Viele Personen fasten an dem Tag bis zum Abend, was in der Regel bedeutet, dass man bis dahin nur eine kleine und selbstverständlich vegetarische Mahlzeit zu sich nehmen darf.

Allgemein muss man sagen, dass der Tag sehr stressig und anstrengend für die Frauen ist. Der Mann in der Familie hat seinen Dienst schon vorher erledigt, sprich: die Karpfen (diese Fischart ist das non plus ultra auf dem polnischen Weihnachtstisch) besorgt und geschlachtet. Ja, es ist immer noch ein Teil der polnischen Tradition, den lebendigen Fisch zu kaufen und ihn zu Hause in der Badewanne schwimmen zu lassen (worauf sich Kinder und Katzen besonders freuen), um ihm letztendlich das Leben zu nehmen.

 Karpfen in der Badewanne
Quelle: Internet

In den letzten Jahren gab es eine richtige Revolution auf diesem Gebiet. Noch frisch sind die grausamen Erinnerungen, als viele Menschen die Fische in Plastiktüten und ohne Wasser transportiert haben. Eine Stiftung zum Schutz der Tiere startet jedes Jahr eine neue Kampagne, um die Käufer zu sensibilisieren, dass ein Fisch auch leiden kann. Am Anfang haben die Aktivisten die Karpfen abgekauft und in die Flüsse geworfen, dann änderte sich aber die Strategie. Man verstand, dass gegen die Tradition nicht zu gewinnen sei und, statt den Menschen davon abzuhalten, die Fische lebendig zu kaufen, man eine Aufklärungskampagne starten - und Promis engagieren - müsse. Zum Glück erstehen immer mehr Menschen schon einen professionell geschlachteten Karpfen oder Filets.


 Noch lebendiger, erwürgter Karpfen (ein polnisches Wortspiel, da "erwürgter" auch "geschmorener" bedeutet) - ein Werbeplakat der Kampagne gegen den Kauf von lebendigen Karpfen.
Quelle: Internet

Wenn wir schon beim Karpfen sind, muss ich noch dazuschreiben, dass man einige seine Schuppen behalten soll, um sie in sein Portemonnaie zu stecken. Dies garantiert, dass man im kommenden Jahr immer Geld darin hat.


 Karpfenschuppen bringen Geld!
Foto: Polschland

Das Essen fängt erst an, wenn der erste Stern am Himmel zu sehen ist - normalerweise ca. um 16.30 Uhr. Ihn zu suchen ist traditionell die Aufgabe der Kinder, die auf diesem Wege zumindest eine Weile beschäftigt sind und bei den Vorbereitungen nicht stören. Wenn der Himmel wolkenfrei ist, ist dies kein Problem, wenn es aber trüb ist, muss man sich eher mit einem imaginären Himmelslicht zufrieden geben.

 Wo ist denn der erste Stern?!
Foto: Polschland

Die ganze Familie versammelt sich in einem Raum, wo schon ein illuminierter Christbaum steht und ein festlich vorbereiteter Tisch wartet. In vielen Familien pflegt man noch den Brauch, ein Fragment des Evangeliums zu lesen - es ist traditionell die Aufgabe des Vaters. Danach folgt ein kurzes Gebet und man kommt zum nächsten Punkt - ohne ihn ist der polnische Heiligabend undenkbar.


 Die Oblaten liegen schon bereit. Auf vielen Tischen steht auch eine Kerze, die von Caritas verkauft wird.
Foto: Polschland

Jedes Familienmitglied nimmt eine dünne viereckige Oblate, die dem Esspapier ähnelt und mit einem religiösen Muster verziert ist.  Die geweihten Oblaten kann man vor Weihnachten in den Kirchengemeinden kaufen. Jede Person kommt zu der anderen mit seiner Oblate und wünscht ihr alles Gute, verteilt Küsse und Umarmungen. Man gibt sich gegenseitig ein bisschen von der eigenen Oblate und isst sie. Die Oblaten werden auch, samt Weihnachtskarten, der Familie und Bekannten geschickt, um mit ihnen auf diesem Weg das symbolische Teilen auszuüben. Für Nicht-Polen ist das manchmal ein Schock. Als ich einmal ein Stückchen davon meiner russischen Bekannten gesendet hatte, war sie erstaunt. Sie schrieb mir, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben einen Brief bekommen habe, in dem Essen war.

Nachdem die Oblaten geteilt wurden, setzt man sich an den Tisch. Das, was sich darauf befindet, muss auch erklärt werden. Unter der Tischdecke liegt schon ein bisschen Heu, das für die Christen eine symbolische Bedeutung hat, da Jesus im Stall geboren wurde.

 Ein bisschen Heu unter der Tischdecke fehlt nie!
Foto: Polschland

Das Familienmitglied, das den Tisch deckt, vergisst nie einen zusätzlichen Teller mit Besteck bereitzustellen. Während des ganzen Abends bleibt der Platz frei. Man sagt, dass es ein Platz für alle ist, die kein Zuhause haben. Wenn sie möchten, könnten sie an dem Abend zu uns kommen. Aber ich bin mir fast sicher, dass man jedes Jahr hofft, dass kein Obdachloser plötzlich in der Tür steht. Es gibt auch eine andere Erklärung des freien Platzes: dass da am Heiligabend die Geister der verstorbenen Familienmitglieder sitzen.

 Egal wie viele Familienmitglieder es gibt - ein Platz bleibt immer frei.
Foto: Polschland

Auf dem Tisch wartet schon das Essen. Die Gerichte sind jedes Jahr gleich und nach altem Familienrezept zubereitet. Manche werden sogar ausschließlich nur an einem Tag im Jahr gekocht. Nicht selten schmecken sie gar nicht, aber selbst das ist keine Ausrede. Die Tradition ist heilig. Die Ansichten meiner deutschen Bekannten, die an Heiligabend indisch kochen, jedes Jahr was Neues ausprobieren oder ein Festtagsmenu samt Tiramisu vorbereiten, wären in Polen regelrecht verpönt. Man begreift es auch nicht, wie man in Deutschland so was „alltägliches“ wie Würstchen mit Kartoffelsalat essen kann, Argumente wie: „Die haben ja keine Traditionen“ oder „Man gibt sich einfach keine Mühe“ sind sogar zu hören. Und überhaupt, dass man an dem Abend Fleisch esse! Obwohl seit einigen Jahren an Heiligabend auch Fleischgerichte verzehrt werden dürfen (was von der katholischen Kirche offiziell erlaubt wurde), bleibt das polnische Menu strikt vegetarisch und alkoholfrei.

Manche von den 12 Gerichten werden nur an Heiligabend zubereitet, wie barszcz z uszkami.
Foto: Polschland

Der Tradition nach, sollten bei dem Abendmahl zwölf Speisen serviert werden. Zwölf, also so viel wie Monate oder Apostel. Es gibt immer noch Familien, die sich daran halten. Man kann aber ein Auge zudrücken und Salz, Pfeffer & Co. dazuzählen, wenn die Zahl nicht erreichbar ist. Von jeder sollte man ein bisschen probieren, damit sie auch im nächsten Jahr nicht fehlen. 

Was auf dem Speiseplan steht, ist von der Region abhängig. Ich nenne nur ein paar Beispiele. Zu den populärsten Suppen zählen auf jeden Fall: barszcz z uszkami (Rote-Betesuppe mit kleinen Tortellinis mit Pilzfüllung), zupa grzybowa (Pilzsuppe), fasolowa (Bohnensuppe), grochówka (Erbsensuppe), zupa z siemienia lnianego (Leinsamensuppe), konopii (Hanfsuppe), migdałów (Mandelsuppe), rybna (Fischbouillon).

 Uszka
 Fot. Polschland


 Barszcz wird ausschließlich aus Gemüsefond zubereitet. Verwendung tierischer Fette ist traditionell verboten.
Foto: Polschland

 Das Wort "uszko" (Pl. uszka) bedeutet wörtlich übersetzt "kleines Ohr".
Foto: Polschland

Als Hauptspeise kommen Fische in allen Variationen. Panierter und gebratener karp/Karpfen fehlt fast nie. Interessant dabei ist, dass man diese Fischsorte eher selten im Laufe des Jahres isst, trotz Werbekampagnen. Ob der Fisch auch schmackhaft ist, ist jedes Jahr ein Glücksspiel - oft erwischt man Exemplare, die unmittelbar nach Schlamm schmecken. Weiter kommen Karpfen in Aspik (karp w galarecie), śledź w śmietanie (Sahnehering), andere Fischsorten und ryba po grecku. Wörtlich übersetzt bedeutet das Letzte „Fisch griechischer Art“, wobei es sich um ein in Griechenland unbekanntes Gericht handelt: Fischstücke in Tomaten-Gemüsesauce.

 Die Hauptspeise in meinem Familienhaus: gekochtes Sauerkraut mit Waldpilzen, Meeretichsauce, Hefebrötchen mit Zwiebelfüllung und... Fischstäbchen. Seit Jahren boykottiere ich den traditionellen Karpfen.
Foto: Polschland

Dazu serviert man Kartoffeln, pierogi z kapustą i grzybami, eventuell auch ruskie (Teigtaschen mit Sauerkraut-Pilzfüllung oder mit Kartoffel-Quark-Füllung) sowie Sauerkraut mit Pilzen, Erbsen bzw. Bohnen (kapusta z grzybami, grochem, fasolą).

Zum Trinken gibt es kompot z suszu (Dörrobstkompott), der oft aus geräucherten Pflaumen zubereitet wird.  Man kann ihn lieben oder hassen. Ich zähle zur zweiten Gruppe, da ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, wie man eine Flüssigkeit, die nur nach Rauch schmeckt, zu sich nehmen kann. In einer anderen Variante verwendet man dazu normales Trockenobst, Nelken und Zimt - diese schmeckt ganz lecker.

Natürlich darf was Süßes nicht fehlen. In vielen Familien östlicher Herkunft bereitet man kutia vor, eine Masse aus Weizen, Mohn, Rosinen, Honig und Nüssen. In Oberschlesien kennt man dagegen makówki - eine Schichtspeise aus Mohn, Rosinen, Milch und Brötchenscheiben. Typisch schlesisch ist auch moczka, eine Art Lebkuchensauce. Beliebt sind auch Kuchen (z. B. Mohnstollen/strucla z makiem), Weihnachtsplätzchen (ciasteczka) und Lebkuchen (pierniki) sowie Orangen und Mandarinen, die im Kommunismus eine Luxusware und nur vor Weihnachten und Ostern erhältlich waren.

 Eine Schüssel mit makówki, einem typisch schlesischen Weihnachtsdessert.
Foto: Polschland

 Makówki werden kalt serviert, dazu reicht man heiße Milch.
Foto: Polschland


 Die oberste Schicht von makówki wird immer schön verziert, mit Mandeln, Nüssen, Orangeat, Kokosraspeln, Trockenobst etc.
Foto: Polschland

 Traditionelle schlesische moczka
Foto: Polschland

 Oberschlesische moczka und makówki. Die Variante, die hier zu sehen ist, besteht aus Mohnmasse und Mohnstollenscheiben. In manchen Familien wird sie aber auch mit Zwieback zubereitet.
Foto: Polschland

 Weihnachtliche Mohnstollen
Foto: Polschland

Wenn es um das Menu am 25. und 26. Dezember geht, ist man nicht so konservativ. In manchen Familien isst man gebratene Weißwürste, ansonsten noch die vom Heiligabend übrig gebliebenen Reste und Feststagsbraten.

 Schlesische Weißwürste, die nur in der Weihnachtszeit erhältlich sind, schmecken allerdings ganz anders als die bayerische Variante. Zuerst werden sie kurz gekocht, dann in Mehl gewendet und gebraten.
Foto: Polschland

Verbleiben wir aber beim Heiligabend. Nach dem Essen kommt der meisterwartete Moment - das Verteilen der Geschenke. Sie werden in Polen vom Nikolaus, Christkind (Dzieciątko), Engelchen (Aniołek) oder Sternmann (Gwiazdor) gebracht.

  Geschenke verteilt man traditionell nach dem Essen.
Foto: Polschland

Nach und vor der Bescherung wird gesungen. Polen verfügen über eine Vielzahl an Weihnachtsliedern, die für sie natürlich die schönsten auf der ganzen Welt sind. Es gibt tatsächlich eine sehr breite Palette davon - von majestätischen, langsamen bis zu fröhlichen, von lebhaften bis zu betrüblichen sogar. In der Weihnachtszeit braucht man in Kirchen kein Gesangbuch, die Weihnachtslieder kennt einfach jeder. Aus purer Neugier habe ich einmal gezählt, wie viele ich kenne - und landete bei über dreißig.

Der Heiligabend endet für viele Gläubige in der Kirche, wo gegen Mitternacht eine feierliche Weihnachtsmette (pasterka) stattfindet. Die Kirchen sind voll; man kann da in der Regel auch Menschen treffen, die sich dort nur zweimal im Jahr blicken lassen.

 In jeder Kirche steht eine Krippe, die besonders für Kinder eine große Attraktion darstellt.
Foto: Polschland

Der Heiligabend ist mit viel Aberglauben verbunden, was auf heidnische Wurzeln dieses Festes deutet. In vielen Familien legt man z. B. eine Münze unter jeden Teller, damit man genügend Geld hat. Aus den Heuhalmen versucht man zu erraten, wie das kommende Jahr wird. Gut bekannt ist auch das Sprichwort „Wie der Heiligabend, so das ganze Jahr“; man sollte sich also bemühen, den ganzen Tag nett zu sein und Streitereien zu vermeiden. Wenn am Morgen als erster ein Mann ins Haus kommt oder telefoniert, soll das Glück bringen. Ein Besuch einer Frau bedeutet dagegen Pech. Man sollte an dem Tag niemandem etwas leihen, um Armut zu vermeiden. Genau um Mitternacht sollen alle Tiere mit menschlicher Stimme reden können. Es ist aber ein durchaus schlechtes Omen, ihnen dabei zuzuhören.

Der erste Weihnachtstag ist traditionell für die Familie reserviert. Man bleibt am liebsten zu Hause, isst, ruht sich aus und sieht fern. Was oder welcher Sender läuft, ist immer ein heiß diskutiertes Thema. Kultstatus erlangte schon längst der Film „Kevin - Allein zu Haus“. Ohne ihn ist Weihnachten in Polen kein Weihnachten!

 - Mutti!!! Morgen kommt "Kevin".
- Ich hab' dir doch gesagt, dass Weihnachten ist!


 Kevin - Allein zu Haus. Das ist nicht nur ein Film, das ist eine Tradition!

Übrigens: im Advent organisiert man in Polen in Firmen, Schulen und anderen Einrichtungen Treffen, die ähnlich wie am Heiligabend verlaufen. Die Speisen werden entweder selber gekocht und mitgebracht oder bestellt. Es ist ein polnisches Pendant zur deutschen Weihnachtsfeier oder Weihnachtsmarktreffen.

 Polnischer Heiligabend:

- ruskie pierogi/russische Piroggen
- śledź norweski/norwegischer Hering
- barszcz ukraiński/ukrainischer Borschtsch
- wino bułgarskie/bulgarischer Wein
- stolik z IKEI/Tisch von IKEA
- karp po żydowsku/Karpfen jüdischer Art
- ryba po grecku/Fisch griechischer Art

Trotz des Bildes, sind die Speisen typisch polnisch.

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