Samstag, 29. März 2014

Polnische Hochzeit und andere Kuriositäten. Teil 2: Die kirchliche Trauung



Wir führen das Thema „Polnische Hochzeit“ fort und konzentrieren uns auf den Tag der Trauung - und zwar der kirchlichen.

Wie ich schon im anderen Beitrag geschrieben hatte, wird in der Regel am Samstag geheiratet.

Wenn es um den Anfang der Zeremonie geht, gibt es regionale Unterschiede. In Oberschlesien zum Beispiel, findet die Trauung vormittags oder am frühen Nachmittag statt, so dass man gegen 14.00-15.00 Uhr ins Lokal kommt. In anderen Regionen ist es üblich, dass man sich erst später in der Kirche trifft - um ca. 17.00 oder 18.00 Uhr.

Unabhängig von der jeweiligen Tradition, dauert die Hochzeitsparty ungefähr zwölf Stunden.

Der Tag selbst fängt für das Brautpaar und dessen Familie früh morgens an. Die Aufmerksamkeit wird größtenteils auf die Braut gerichtet. Sie will natürlich umwerfend aussehen und deswegen werden keine Kosten gescheut. Ein Besuch beim Friseur, im Nagel- und Sonnenstudio und ein professionelles Make-up gehören zum Pflichtprogramm, das nahezu alle zukünftigen Ehefrauen absolvieren.

Das gleiche gilt auch für die Brautmütter, Trauzeuginnen, Tanten und Freundinnen. Der weibliche Teil der Hochzeitsgesellschaft beschäftigt sich schon Monate vor dem großen Ereignis mit der Frage, was man bloß anziehen solle, welche Frisur, Tasche, Schuhe und welcher Schmuck wohl am passendsten seien.

Was genau ich meine, zeigen diese Bilder:

"[...] Das Kleid für die Hochzeit ist da, ich muss noch überlegen, welche Schuhe und welche Tasche ich dazu nehmen soll. Habt ihr vielleicht Vorschläge? Ich habe keine Ahnung, welchen Schmuck ich tragen soll... Aber ich habe ja viel Zeit, sicherlich finde ich was".

Quelle: ivoblog.com.pl



Wer denkt, der Kleiderwahn sei nur für Frauen reserviert, irrt. Nicht selten werden Männer gezwungen, sich anlässlich der kommenden Hochzeit einen neuen Anzug zu kaufen - und wenn nicht dies, dann mindestens ein neues Hemd oder eine neue Krawatte, passend zum Kleid der begleiteten Dame.



"Zum grauen Hemd hat mein Mann eine pinke Krawatte gekauft, in der Farbe meines Kleides. Wir wollten, dass er ein pinkes Hemd hat, aber wir fanden keins. Die Hochzeit ist schon morgen!"

Quelle: ivoblog.com.pl






Keine Sorge, man gibt kein Vermögen aus. Die Sachen kauft man in keinen Markenläden oder auf einem Basar; sie stammen entweder aus China oder der Türkei. Die Qualität spielt nicht die wichtigste Rolle. Immerhin braucht man sie nur ein- oder höchstens zweimal.

Daran besteht kein Zweifel - eine polnische Hochzeit belebt die Konjunktur wie keine andere Begebenheit!



Die Krawatte wird häufig dem Outfit der Dame angepasst.

Quelle: nk.pl

Die Herren sollten daran denken, dass eine Jeans oder Turnschuhe keine gute Wahl sind.
Die kurzärmelige Hemd-Variante, mit einem Sakko kombinierbar, erfreut sich großer Beliebtheit, obwohl es eigentlich eine Modesünde ist. Ebenfalls populär sind Westen, die gerne gratis einem Anzug beigelegt werden. Wer sich für eine legere Variante der Kleidung entscheiden möchte, verzichtet auf die Krawatte. Dies gilt eher für jüngere Männer und entfernte Verwandte.


Junge männliche Hochzeitsgäste auf einer Hochzeit. Auf der linken Seite des Bildes sieht man auch einen Mann, der sein Hemd mit dem Bolero seiner Begleitung farblich abgestimmt hat.
 Quelle: nk.pl

Ungefähr nach dem Dessert landet der Schlips samt Sakko über der Stuhllehne, was zu einer allgemeinen Regel geworden ist. Nur die wenigsten männlichen Gäste tanzen in voller Montur. Und wenn sie dies schon tun, dann unter dem Verdacht der Spießigkeit.
Es geht aber noch weiter: das aufgeknöpfte Hemd, dessen Teil noch charmant aus der Hose blickt, ist ein unfehlbares Zeichen dafür, dass man jede Menge Spaß hat.



Das Video, als Promo-Material einer Videofirma gedacht, erfreute sich großer Beliebtheit (über 2 Millionen Aufrufe), allerdings nicht wegen seines künstlerischen Niveaus. Die Stimmung war spitze, wie man sehen kann.

Quelle: YouTube


Meinen Beobachtungen nach, herrscht auf einer typisch deutschen Hochzeit eine fröhliche Verschiedenheit.
Manche Gäste erscheinen in täglicher Kleidung (also definitiv underdressed, gemäß der polnischen Standards), manche tragen ein entsprechendes feierliches Outfit, ein paar kommen in der Tracht.
Auf einer polnischen Hochzeit ist die Spanne nicht so groß, da die Standards klar sind: Eine festliche Kleidung gilt für beide Geschlechter und jede Altersgruppe.
Liebe Damen, hiermit möchte ich Ihnen davon abraten, zu diesem Anlass Stiefel oder Leggins zu tragen. Die zwei Sachen gehören nämlich für mich zu einer deutschen Hochzeit wie Tag und Nacht. In Polen sind sie aber ein absolutes No-go.


Ein solches Outfit, wie bei dieser Trauzeugin, wäre in Polen kaum möglich. 

Fot. Polschland

Selbst die Frauen, die normalerweise lieber Hosen tragen, schlüpfen an dem Tag ins Kleid oder einen Zweiteiler mit Rock und Jacke.
Dazu trägt man Stöckelschuhe, ist doch sonnenklar (einen Text dazu kann man hier lesen) - zumindest bis zur zweiten Tanzrunde. Viele Frauen ziehen dann ihre Ballerinas an oder tanzen barfuss. Üblich ist es auch, sich umzuziehen. Zu späterer Stunde darf das andere Kleid ein bisschen freizügiger sein.
 
Polnische Hochzeitsgäste in aktuelle Mode gekleidet.
Auf dem Tisch steht schon alles für die Segnung des Brautpaares bereit.

Quelle: s. o.


Fast vorbei ist die Mode, ein pompöses langes Ballkleid mit obligatorischem Korsett anzuziehen. Wenn diese Modelle noch zu sehen sind, handelt es sich dabei vor allem um eine Hochzeit auf dem Lande. Da werden auch viele Hochzeitskleider noch von lokalen Schneiderinnen genäht, die sich auch um einheitliche Roben der Brautjungfern kümmern. 

Aktuell sind Minikleider und Cocktailkleider aller Art total angesagt.

Hüte und Fascinators trägt man kaum. 




Hochzeiten A.D. 2008

Quelle: nk.pl


Die Hochzeitsvorbereitungen des Brautpaares (das Anziehen, Schminken usw.) werden von einem Fotografen dokumentiert. Er begleitet es während des ganzen Tages: zu Hause, in der Kirche und im Lokal.

Nicht selten bucht man noch einen Kameramann dazu.

Da in Polen Dienstleistungen allgemein viel billiger als in Deutschland sind, kann man sich das leisten, ohne ein Vermögen auszugeben.

Die meisten Paare vereinbaren noch einen zusätzlichen Termin für ein Outdoor-shooting, was auch bedeutet, dass die Braut sich noch einmal frisieren und schminken lässt.

Bei allen Vorbereitungen ist das Brautpaar in der Regel getrennt - der Bräutigam darf die Braut ja nicht sehen.

Wenn sie in einem Wohnblock wohnt, wird oft die Eingangstür von den Nachbarn dekoriert. In manchen Regionen ist es auch üblich, dass eine Band schon vor dem Haus der Braut spielt.


Nachbarinnen der Braut begrüßen den mit dem Strauß kommenden Bräutigam.

Quelle: Internet


Nach der Ankunft des Bräutigams und der Begrüßung kommt es zu einem sehr wichtigen Moment: der Segnung des Paares.

In einem Raum steht schon alles bereit: ein festlich gedeckter Tisch mit einem Kreuz, Weihwasser, Kerzen und Blumen. Die jungen Leute knien oder stehen vor ihren Eltern (oft auch Großeltern), die sie mit dem Weihwasser segnen und ihnen das Kreuz zum küssen geben. Es werden Glückwünsche ausgesprochen, eine kleine Rede, Tränen fließen reichlich. Erst danach kann man zur Kirche fahren.


Eine Trauung ohne Segnung ist kaum vorstellbar.

Fot. Polschland

Wenn es um das Verkehrsmittel geht, gibt es viele Möglichkeiten: ein schickes Auto eines Familienmitgliedes, eine gemietete Stretchlimousine, ein Oldtimer oder, selten, eine Kutsche. Sehr angesagt sind jedenfalls speziell gedruckte Autokennzeichen mit Namen des Paares oder lustigen Sprüchen wie: „Weg zum Paradies“, „Ende der Freiheit“ etc. 


"Weg zum Paradies"

Fot. Marcin Doszak


Die Trauung findet in der Regel in der Gemeinde der Braut statt. Wochenlang vor der Hochzeit werden an der Infotafel vor der Kirche persönliche Angaben zum Brautpaar aufgehängt - als Ankündigung der bevorstehenden Trauung.

Der Brauch personalisierter oder selbst gestalteter Hochzeitskerzen ist in Polen unbekannt

Das betrifft auch die in Deutschland so populären Programmhefte für die kirchliche Trauung. Polnische Gäste, die mit ihnen konfrontiert werden, verstehen sie oft als Beweis der klischeehaften deutschen Spießigkeit, Ordnung, des Perfektionismus und Organisationszwanges. Andere Hintergründe sind ihnen meistens unbekannt. In Polen ist die Mehrheit ja katholisch und man kennt sich mindestens ein bisschen mit der Durchführung einer Hochzeitsmesse aus. Die Liedblätter werden in solcher Form auch bei anderen Feierlichkeiten eigentlich nie verteilt, höchstens eine Kopie mit einem Liedtext.

Deshalb versteht man oft nicht die Tatsache, dass ein solches Liedblatt eine richtige Hilfe für diejenigen ist, die selten zur Kirche gehen und nur eine blasse Ahnung davon haben, wie der gesamte Ablauf der Trauliturgie ist, sowie für Nichtgläubige oder Personen anderer Konfessionen. Ein Programmheft ermöglicht allen, die lesen können, eine würdige und aktive Teilnahme und Mitgestaltung der Trauung.

Nichtsdestotrotz würde man sich eine solche Handreichung ab und zu ebenfalls in Polen wünschen. Ich habe schon Paare erlebt, die sich in der Kirche erst nach ihrer Firmung blicken ließen und nicht genau wussten, wann sie aufstehen oder sitzen sollten, Hochzeitsgesellschaften, in der nur Großmütter mit dem Organisten sangen, weil der Rest die Lieder schon längst vergessen hatte etc.

Da deutsche Trauungen in der Regel eine persönliche Note erhalten, beinhalten die Blätter auch Lieder, die man nicht im Kirchengesangsbuch findet. Zu guter Letzt lässt sich noch erwähnen, dass sie ein schönes Andenken für die Gäste sind.

Zum Altar geht die Braut meistens mit dem Bräutigam zusammen, ihnen folgen die Trauzeugen. In vielen Gemeinden treten sie zuerst ein, wenn sie vom Priester geführt werden. Eine andere Option für die Braut ist, sich vom Vater zum Alter begleiten zu lassen. Sie gilt als aus dem Westen importierter Brauch und hier und da muss sie vom Pfarrer akzeptiert werden.

Freizügige Brautkleider und Roben der Brautjungfer (sprich: tiefe und rückenfreie Dekolteés) sind oft ungern gesehen. Deswegen ist es ratsam, sich ein Bolero oder einen Schal zu besorgen, die nicht nur für Anständigkeit, sondern auch für Wärme in der Kirche sorgen. 



Das Brautpaar muss für eine Trauung bezahlen. Da es in Polen keine Kirchensteuer gibt, sind solche Einnahmen ein fester und wichtiger Bestandteil des Gemeindehaushaltes. Das Problem ist nur, dass es auch keine allgemeingültige und öffentliche Preisliste gibt.

Die Unterschiede zwischen einzelnen Gemeinden und Regionen sind enorm: von 50 Zloty bis 2.000 Zloty. Meistens weigern sich die Pfarrer, einen genauen Preis zu nennen, nach dem Motto: „Man gäbe soviel, wie man möchte“. Das ist eine richtige Herausforderung für das Paar, das sich nun bei Bekannten erkundigen muss, wie viel damit gemeint ist.

Die Differenzen zwischen den Gemeinden sorgen regelmäßig für negative Schlagzeilen. Hin und wieder gibt sich der ein oder andere Pressejournalist als potenzieller Bräutigam aus, befragt alle Priester in der Umgebung und erstellt danach eine Preisliste. Ob sie den Interessenten hilft, weiß ich nicht. Die Auflagen der Verlage steigen auf jeden Fall.






Verschiedene Statistiken zeigen, wie viel man für eine Hochzeit bezahlen muss.

Quelle: Internet



Ein paar Worte zum Schluss verdienen noch die Sachen, mit denen man das frisch vermählte Paar bewirft. Je nach deren Wunsch und Tradition, ist das Kleingeld (Münzen sollen von ihnen gesammelt werden), Bonbons (immer seltener), Konfetti, Rosenblätter und Reis, die aber wegen der Probleme mit dem Aufräumen, oft vom Pfarrer unerwünscht sind. Außerdem spricht man häufig darüber, dass das Reiswerfen Lebensmittelverschwendung ist.

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