Wir führen das Thema „Polnische Hochzeit“ fort und
konzentrieren uns auf den Tag der Trauung - und zwar der kirchlichen.
Wie ich
schon im anderen Beitrag geschrieben hatte, wird in der Regel am Samstag
geheiratet.
Wenn es um den Anfang der Zeremonie geht, gibt es regionale
Unterschiede. In Oberschlesien zum Beispiel, findet die Trauung vormittags oder
am frühen Nachmittag statt, so dass man gegen 14.00-15.00 Uhr ins Lokal kommt. In
anderen Regionen ist es üblich, dass man sich erst später in der Kirche trifft
- um ca. 17.00 oder 18.00 Uhr.
Unabhängig von der jeweiligen Tradition, dauert
die Hochzeitsparty ungefähr zwölf Stunden.
Der Tag selbst fängt für das Brautpaar und dessen
Familie früh morgens an. Die Aufmerksamkeit wird größtenteils auf die Braut
gerichtet. Sie will natürlich umwerfend aussehen und deswegen werden keine
Kosten gescheut. Ein Besuch beim Friseur, im Nagel- und Sonnenstudio und ein
professionelles Make-up gehören zum Pflichtprogramm, das nahezu alle zukünftigen
Ehefrauen absolvieren.
Das gleiche gilt auch für die Brautmütter, Trauzeuginnen,
Tanten und Freundinnen. Der weibliche Teil der Hochzeitsgesellschaft
beschäftigt sich schon Monate vor dem großen Ereignis mit der Frage, was man
bloß anziehen solle, welche Frisur, Tasche, Schuhe und welcher Schmuck wohl am passendsten
seien.
Was genau ich meine, zeigen diese Bilder:
"[...] Das Kleid für die Hochzeit ist da, ich muss noch überlegen, welche Schuhe und welche Tasche ich dazu nehmen soll. Habt ihr vielleicht Vorschläge? Ich habe keine Ahnung, welchen Schmuck ich tragen soll... Aber ich habe ja viel Zeit, sicherlich finde ich was".
Quelle: ivoblog.com.pl
Wer denkt, der Kleiderwahn sei nur für Frauen
reserviert, irrt. Nicht selten werden Männer gezwungen, sich anlässlich der
kommenden Hochzeit einen neuen Anzug zu kaufen - und wenn nicht dies, dann mindestens
ein neues Hemd oder eine neue Krawatte, passend zum Kleid der begleiteten Dame.
"Zum grauen Hemd hat mein Mann eine pinke Krawatte gekauft, in der Farbe meines Kleides. Wir wollten, dass er ein pinkes Hemd hat, aber wir fanden keins. Die Hochzeit ist schon morgen!"
Quelle: ivoblog.com.pl
Keine Sorge, man gibt kein Vermögen aus. Die Sachen kauft
man in keinen Markenläden oder auf einem Basar; sie stammen entweder aus China
oder der Türkei. Die Qualität spielt nicht die wichtigste Rolle. Immerhin
braucht man sie nur ein- oder höchstens zweimal.
Daran besteht kein Zweifel -
eine polnische Hochzeit belebt die Konjunktur wie keine andere Begebenheit!
Die Krawatte wird häufig dem Outfit der Dame angepasst.
Quelle: nk.pl
Quelle: nk.pl
Die Herren sollten daran denken, dass eine Jeans oder
Turnschuhe keine gute Wahl sind.
Die kurzärmelige Hemd-Variante, mit einem
Sakko kombinierbar, erfreut sich großer Beliebtheit, obwohl es eigentlich eine
Modesünde ist. Ebenfalls populär sind Westen, die gerne gratis einem Anzug beigelegt
werden. Wer sich für eine legere Variante der Kleidung entscheiden möchte,
verzichtet auf die Krawatte. Dies gilt eher für jüngere Männer und entfernte Verwandte.
Junge männliche Hochzeitsgäste auf einer Hochzeit. Auf der linken Seite des Bildes sieht man auch einen Mann, der sein Hemd mit dem Bolero seiner Begleitung farblich abgestimmt hat.
Quelle: nk.pl
Ungefähr nach dem Dessert landet der Schlips samt Sakko über der Stuhllehne, was zu einer allgemeinen Regel geworden ist. Nur die wenigsten männlichen Gäste tanzen in voller Montur. Und wenn sie dies schon tun, dann unter dem Verdacht der Spießigkeit.
Es geht aber noch weiter: das
aufgeknöpfte Hemd, dessen Teil noch charmant aus der Hose blickt, ist ein unfehlbares
Zeichen dafür, dass man jede Menge Spaß hat.
Das Video, als Promo-Material einer Videofirma gedacht, erfreute sich großer Beliebtheit (über 2 Millionen Aufrufe), allerdings nicht wegen seines künstlerischen Niveaus. Die Stimmung war spitze, wie man sehen kann.
Quelle: YouTube
Meinen Beobachtungen nach, herrscht auf einer typisch deutschen Hochzeit eine fröhliche Verschiedenheit.
Manche Gäste erscheinen in täglicher
Kleidung (also definitiv underdressed, gemäß der polnischen Standards), manche
tragen ein entsprechendes feierliches Outfit, ein paar kommen in der Tracht.
Auf
einer polnischen Hochzeit ist die Spanne nicht so groß, da die Standards klar
sind: Eine festliche Kleidung gilt für beide Geschlechter und jede Altersgruppe.
Liebe Damen, hiermit möchte ich Ihnen davon abraten, zu diesem Anlass Stiefel
oder Leggins zu tragen. Die zwei Sachen gehören nämlich für mich zu einer
deutschen Hochzeit wie Tag und Nacht. In Polen sind sie aber ein absolutes
No-go.
Ein solches Outfit, wie bei dieser Trauzeugin, wäre in Polen kaum möglich.
Fot. Polschland
Selbst die Frauen, die normalerweise lieber Hosen tragen, schlüpfen an dem Tag ins Kleid oder einen Zweiteiler mit Rock und Jacke.
Dazu trägt man Stöckelschuhe, ist doch sonnenklar (einen Text dazu kann
man hier lesen) - zumindest bis zur zweiten Tanzrunde. Viele Frauen ziehen dann
ihre Ballerinas an oder tanzen barfuss. Üblich ist es auch, sich umzuziehen. Zu
späterer Stunde darf das andere Kleid ein bisschen freizügiger sein.
Polnische Hochzeitsgäste in aktuelle Mode gekleidet.
Auf dem Tisch steht schon alles für die Segnung des Brautpaares bereit.
Quelle: s. o.
Auf dem Tisch steht schon alles für die Segnung des Brautpaares bereit.
Quelle: s. o.
Fast vorbei ist die Mode, ein pompöses langes Ballkleid
mit obligatorischem Korsett anzuziehen. Wenn diese Modelle noch zu sehen sind,
handelt es sich dabei vor allem um eine Hochzeit auf dem Lande. Da werden auch
viele Hochzeitskleider noch von lokalen Schneiderinnen genäht, die sich auch um
einheitliche Roben der Brautjungfern kümmern.
Aktuell sind Minikleider und Cocktailkleider
aller Art total angesagt.
Hüte und Fascinators trägt man kaum.
Hochzeiten A.D. 2008
Quelle: nk.pl
Quelle: nk.pl
Die Hochzeitsvorbereitungen des Brautpaares (das
Anziehen, Schminken usw.) werden von einem Fotografen dokumentiert. Er
begleitet es während des ganzen Tages: zu Hause, in der Kirche und im Lokal.
Nicht
selten bucht man noch einen Kameramann dazu.
Da in Polen Dienstleistungen allgemein
viel billiger als in Deutschland sind, kann man sich das leisten, ohne ein
Vermögen auszugeben.
Die meisten Paare vereinbaren noch einen zusätzlichen Termin für ein Outdoor-shooting,
was auch bedeutet, dass die Braut sich noch einmal frisieren und schminken lässt.
Bei allen Vorbereitungen ist das Brautpaar in der
Regel getrennt - der Bräutigam darf die Braut ja nicht sehen.
Wenn sie in einem
Wohnblock wohnt, wird oft die Eingangstür von den Nachbarn dekoriert. In
manchen Regionen ist es auch üblich, dass eine Band schon vor dem Haus der
Braut spielt.
Nachbarinnen der Braut begrüßen den mit dem Strauß kommenden Bräutigam.
Quelle: Internet
Quelle: Internet
Nach der Ankunft des Bräutigams und der Begrüßung
kommt es zu einem sehr wichtigen Moment: der Segnung des Paares.
In einem Raum
steht schon alles bereit: ein festlich gedeckter Tisch mit einem Kreuz,
Weihwasser, Kerzen und Blumen. Die jungen Leute knien oder stehen vor ihren
Eltern (oft auch Großeltern), die sie mit dem Weihwasser segnen und ihnen das
Kreuz zum küssen geben. Es werden Glückwünsche ausgesprochen, eine kleine Rede,
Tränen fließen reichlich. Erst danach kann man zur Kirche fahren.
Eine Trauung ohne Segnung ist kaum vorstellbar.
Fot. Polschland
Fot. Polschland
Wenn es um das Verkehrsmittel geht, gibt es viele
Möglichkeiten: ein schickes Auto eines Familienmitgliedes, eine gemietete
Stretchlimousine, ein Oldtimer oder, selten, eine Kutsche. Sehr angesagt sind
jedenfalls speziell gedruckte Autokennzeichen mit Namen des Paares oder
lustigen Sprüchen wie: „Weg zum Paradies“, „Ende der Freiheit“ etc.
"Weg zum Paradies"
Fot. Marcin Doszak
Die Trauung findet in der Regel in der Gemeinde der
Braut statt. Wochenlang vor der Hochzeit werden an der Infotafel vor der Kirche
persönliche Angaben zum Brautpaar aufgehängt - als Ankündigung der
bevorstehenden Trauung.
Der Brauch personalisierter oder selbst gestalteter Hochzeitskerzen
ist in Polen unbekannt.
Das betrifft auch die in Deutschland so populären
Programmhefte für die kirchliche Trauung. Polnische Gäste, die mit ihnen konfrontiert
werden, verstehen sie oft als Beweis der klischeehaften deutschen Spießigkeit, Ordnung,
des Perfektionismus und Organisationszwanges. Andere Hintergründe sind ihnen
meistens unbekannt. In Polen ist die Mehrheit ja katholisch und man kennt sich
mindestens ein bisschen mit der Durchführung einer Hochzeitsmesse aus. Die
Liedblätter werden in solcher Form auch bei anderen Feierlichkeiten eigentlich
nie verteilt, höchstens eine Kopie mit einem Liedtext.
Deshalb versteht man oft
nicht die Tatsache, dass ein solches Liedblatt eine richtige Hilfe für
diejenigen ist, die selten zur Kirche gehen und nur eine blasse Ahnung davon
haben, wie der gesamte Ablauf der Trauliturgie ist, sowie für Nichtgläubige
oder Personen anderer Konfessionen. Ein Programmheft ermöglicht allen, die
lesen können, eine würdige und aktive Teilnahme und Mitgestaltung der Trauung.
Nichtsdestotrotz
würde man sich eine solche Handreichung ab und zu ebenfalls in Polen wünschen.
Ich habe schon Paare erlebt, die sich in der Kirche erst nach ihrer Firmung
blicken ließen und nicht genau wussten, wann sie aufstehen oder sitzen sollten,
Hochzeitsgesellschaften, in der nur Großmütter mit dem Organisten sangen, weil der
Rest die Lieder schon längst vergessen hatte etc.
Da deutsche Trauungen in der
Regel eine persönliche Note erhalten, beinhalten die Blätter auch Lieder, die
man nicht im Kirchengesangsbuch findet. Zu guter Letzt lässt sich noch erwähnen,
dass sie ein schönes Andenken für die Gäste sind.
Zum Altar geht die Braut meistens mit dem Bräutigam
zusammen, ihnen folgen die Trauzeugen. In vielen Gemeinden treten sie zuerst
ein, wenn sie vom Priester geführt werden. Eine andere Option für die Braut ist,
sich vom Vater zum Alter begleiten zu lassen. Sie gilt als aus dem Westen
importierter Brauch und hier und da muss sie vom Pfarrer akzeptiert werden.
Freizügige Brautkleider und Roben der Brautjungfer
(sprich: tiefe und rückenfreie Dekolteés) sind oft ungern gesehen. Deswegen ist
es ratsam, sich ein Bolero oder einen Schal zu besorgen, die nicht nur für Anständigkeit,
sondern auch für Wärme in der Kirche sorgen.
Das Brautpaar muss für eine Trauung bezahlen. Da es in
Polen keine Kirchensteuer gibt, sind solche Einnahmen ein fester und wichtiger
Bestandteil des Gemeindehaushaltes. Das Problem ist nur, dass es auch keine allgemeingültige
und öffentliche Preisliste gibt.
Die Unterschiede zwischen einzelnen Gemeinden
und Regionen sind enorm: von 50 Zloty bis 2.000 Zloty. Meistens weigern sich
die Pfarrer, einen genauen Preis zu nennen, nach dem Motto: „Man gäbe soviel, wie
man möchte“. Das ist eine richtige Herausforderung für das Paar, das sich nun
bei Bekannten erkundigen muss, wie viel damit gemeint ist.
Die Differenzen
zwischen den Gemeinden sorgen regelmäßig für negative Schlagzeilen. Hin und
wieder gibt sich der ein oder andere Pressejournalist als potenzieller
Bräutigam aus, befragt alle Priester in der Umgebung und erstellt danach eine
Preisliste. Ob sie den Interessenten hilft, weiß ich nicht. Die Auflagen der
Verlage steigen auf jeden Fall.
Verschiedene Statistiken zeigen, wie viel man für eine Hochzeit bezahlen muss.
Quelle: Internet
Ein paar Worte zum Schluss verdienen noch die Sachen, mit
denen man das frisch vermählte Paar bewirft. Je nach deren Wunsch und
Tradition, ist das Kleingeld (Münzen sollen von ihnen gesammelt werden), Bonbons
(immer seltener), Konfetti, Rosenblätter und Reis, die aber wegen der Probleme
mit dem Aufräumen, oft vom Pfarrer unerwünscht sind. Außerdem spricht man häufig
darüber, dass das Reiswerfen Lebensmittelverschwendung ist.
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