Willkommen in Polschland!: Klischees über Polen in Deutschland

Sind wir uns denn so fremd?

Glücklicherweise fühle ich mich in Deutschland nicht so oft fremd, weil ich überall Menschen mit Migrationshintergrund sehe, z. B. meine Nachbarn, die Verkäuferinnen im Supermarkt, meine Freundinnen und Freunde usw. Dies gibt mir ein Gefühl, dass die Menschen gewöhnt sind, dass jemand nicht von hier sein muss.

Wo begegnen mir Vorurteile und Klischees – und wie gehe ich damit um?

Über Polen, das Land und die Leute, bestehen diverse Stereotypen, die meistens negativ sind (wie z. B.: "Kaum gestohlen, schon in Polen"; Polenwitze, wo meine Landsleute als Dummköpfe dargestellt werden; Begriff "polnische Wirtschaft"; Wodka).

oliverschopf.com

Da Deutschland Polens Nachbarland ist, gibt es von beiden Seiten zahlreiche Sprüche und Meinungen, die man als Vorurteile, Klischees und Stereotypen bezeichnen kann.

Ich muss jedoch sagen, dass ich mit ihnen in Deutschland eigentlich NIE direkt und persönlich konfrontiert wurde.

Hier meine ich Situationen, wo ich sagen könnte, dass mich jemand wegen meiner Herkunft beschimpft hat, unfreundlich zu mir war oder im Gespräch mit mir die oben genannten Sprüche erwähnt hat. Es wurde mir auch nie auf indirekter Art und Weise angedeutet.

Es gab nur zwei Situationen, an die ich mich erinnern kann; sie waren aber mehr komisch als unangenehm.

Die erste war ein Gespräch mit einem Rentner, der sich überlegt hatte, ob es sich lohnt, mit einem Wohnmobil nach Polen zu fahren. Er hat sich bei mir erkundigt, wie die Infrastruktur für Touristen solcher Art aussieht (Wohnmobilplätze etc.) und ob es überhaupt "Sie wissen schon, sicher ist" (er fragte mit leiser Stimme, fast konspirativ).

Dies fand ich recht amüsant und ich war überhaupt nicht verletzt!

loslachen.ch

Das zweite Mal war während eines Gesprächs mit einer älteren Bekannten, einer aus Ungarn stammende Donauschwäbin, die mich gefragt hatte, ob die Polen immer noch so viel trinken würden. Auch hier fühlte ich mich nicht unwohl, da sie anscheinend einen Vergleich mit Ungarn machen wollte und ansonsten sehr nett und herzlich zu mir war. Ich habe sie sachlich informiert, wie die jetzige Situation aussieht und das war's.

Źródło: Internet

Woher kommst du? Aus Polen?!

Allgemein muss ich sagen, dass ich bei den Deutschen drei Reaktionen beobachtet habe, wenn sie erfahren, dass ich aus Polen komme.

Der ersten Gruppe ist es völlig egal.

Die zweite Gruppe bilden ältere Personen (ca. ab dem 60. Lebensjahr), die sich der deutsch-polnischen Geschichte wegen anscheinend unwohl fühlen und oft wiederholen, dass es schrecklich sei, was die Deutschen im 2. Weltkrieg in Polen angerichtet hätten. Oft greifen sie Themen der Vertreibung auf oder erzählen Familiengeschichten aus dieser Zeit (z.B. über polnische Zwangsarbeiter). Ich habe immer das Gefühl, dass sie sich bei mir für die Nazizeit und Kriegsverbrechen gegen Polen entschuldigen möchten, weil ich in ihren Augen eine Repräsentantin Polens bin. Dies ist mir, ehrlich gesagt, sehr unangenehm.

Erstens, ist für mich das, was die Deutschen im 2. Weltkrieg gemacht hatten, längst Geschichte - man sollte irgendwann, meiner Meinung nach, darunter einen Schlußstrich ziehen und aufhören, sich für die schlimmen Sachen, für die man selbst nicht verantwortlich ist, zu entschuldigen. Ich bin außerdem kein Ansprechspartner dafür, weil kein Opfer.

Zweitens will ich, dass wir zusammen in die Zukunft schauen - die Geschichte können wir nicht ändern, die Gegenwart und die Zukunft können wir dagegen beeinflussen.

Zugegeben, es gibt in Polen immer noch Politiker und "normale" Menschen, die eine Gefahr in Deutschland sehen, die bei jeder Gelegenheit zu diesen Themen zurückkehren. Mit ihnen möchte ich auf gar keinen Fall identifiziert werden. Meine Taktik ist also, solche Themen einfach zu vermeiden.

Ich weiß, dass das Thema in Deutschland kontrovers ist, aber so ist meine Meinung. Ich lade Sie ein, meinen Beitrag weiter zu lesen. Da folgen Themen, die mir im Moment wichtiger sind.

Die dritte Gruppe reagiert äußerst positiv darauf, dass ich aus Polen bin. Neulich hat mich mein Arzt informiert, dass er eine sehr kompetente Altenpflegerin für seine Mutter angestellt hat, und außerdem dass er im Urlaub an der polnischen Ostsee war. Auf verschiedenen Veranstaltungen höre ich, dass man Krakau sehr schön finde oder die Bauarbeiter aus Polen sehr schätze. Diejenigen, die Polen aus der Kommunismus-Epoche kennen, machen Anmerkungen, wie viel und was sich geändert/verbessert hat. Ich könnte noch weitere Beispiele nennen. Kurz gesagt: ich bekomme ein sehr positives Feedback. In den letzten Jahrzehnten hat sich viel getan.

de.toonpool.com

Was meinen die Polen dazu?

Als in den 70ern und 80ern viele Familien in die BRD kamen (darunter auch meine Tanten und Onkel), bekamen sie tatsächlich Begriffe wie "Polacken" zu hören und haben sich in der Öffentlichkeit ungern zu Polen und der polnischen Sprache (allgemein: zum Osten) bekannt. Dies lässt sich bei ihnen nicht so schnell ändern (wenn überhaupt).

Bei meinen Gleichaltrigen: manche sind stolz, dass sie aus Polen kommen, manche (wie ich) betrachten dies als eine ganz normale Sache (jemand hat seinen Ursprung), manche haben ein "Erbproblem" damit. Warum? Siehe oben.

lachhaft.blogspot.com

"Klischees sagen uns nicht viel über die, die sie betreffen, viel mehr jedoch über diejenigen, die sie geschaffen haben" - Andrzej Garlicki

Da ich diverse Polnischkurse leite und deutsch-polnische Veranstaltungen organisiere, bespreche ich mit den teilnehmenden Personen die Themen wie Stereotypen, Vorurteile und Klischees über Polen.

In der ersten Stunde, wo das gemeinsame Kennenlernen angesagt ist, und in der die Teilnehmer sagen, wieso sie sich für die Sprache und das Land interessieren, mache ich in der Regel eine Übung: sie werden in Gruppen geteilt, erhalten ein großes Blatt Papier und sollen alles aufschreiben, was sie mit Polen (Land, Leute) assoziieren.

Wenn ich dies später mit dem vergleiche, wie viele Personen in Polen waren, stelle ich fest, dass die negativen Sachen da vorkommen, wo das Wissen über Polen nur oberflächlich ist, d.h., dass man nie in Polen war und da keine Freunde oder Familie hat. Man hat also keine persönlichen Erfahrungen gemacht. Dies ist eine Schlussfolgerung, die man natürlich auch über andere Länder treffen kann.

toonsup.com

Immer wieder bin ich überrascht, wie viel Positives man mit meinem Land verbindet! Als Polin bin ich meinem Land gegenüber oft viel kritischer, als die Ausländer.

Ein anderes Thema, das ich mit den Studenten oft bespreche, sind die Klischees und Vorurteile, die in Polen über Deutschland und Deutsche existieren. Oft entdecken sie dabei Aspekte, die ihnen völlig neu und fremd sind, sind irritiert oder perplex.

winboard.org

"Forschung erschafft neues Wissen"

Als ich anhand von diversen wissenschaftlichen Studien eine Liste zusammenstellte und das Thema erforschte, musste ich feststellen, dass die meisten Stereotypen und Klischees ihren Ursprung in der Geschichte der zwei Völker/Länder haben.

Oder, dass es sich um das so gut in den Kulturwissenschaften bekannte Motiv des Fremden oder "des dummen Nachbarn" handelt. Die Motive sind übrigens in aller Welt verbreitet.

Statt sich verletzt zu fühlen oder verzweifelt um den guten Ruf Polens zu kämpfen, um alle negativen Klischees zu verneinen, versuche ich den Studierenden zu erörtern, wieso sie überhaupt entstanden sind. Und wie die Situation jetzt ist. Dies gilt auch für die deutsche Seite.

Lachen heißt die Lösung

Ansonsten lachen wir viel darüber. Ich zeige u.a. deutsche und polnische Comics, die das Thema betreffen.

Learning by Doing

Ich ermuntere auch jeden, sich selbst ein Bild von Polen zu machen und sich selbst überzeugen zu lassen, ob die Klischees stimmen (und inwiefern) oder nicht.