Einer der größten Unterschiede zwischen dem
Aussehen der polnischen und deutschen Frauen ist für mich deren Schuhwerk. Über
die Schuhvorlieben der Deutschen schreibe ich ein anderes Mal, weil das heutige
Thema mehr als weitreichend ist.
Polnische Frauen lieben Stöckelschuhe. Eine
Wette, ob man in fünf Minuten auf einer polnischen Straße mehr zählt, als auf
einer deutschen, könnte ich mit Links gewinnen. Die Stöckelschuhe gelten in
Polen als Krönung der Weiblichkeit und das i-Tüpfelchen jeder festlichen
Kleidung. Als ich vor ein paar Jahren mit einem deutsch-polnischen Frauenteam
eine Vernissage organisiert habe, kam dies besonders klar zum Vorschein. Die polnische
Künstlerin rannte noch wenige Stunden vor ihrem großen Moment ins Modegeschäft
und kaufte dort Zehn-Zentimeter Heels, die sie zuvor nur in Modezeitschriften gesehen
hatte, geschweige denn auf ihrem Leib getragen hatte. Bis zum Ende der
Veranstaltung hielt sie es in ihrem Neukauf nicht aus, aber ein großer Auftritt
war gemeistert. Mir ging es einen Tick besser. Immerhin waren meine Schuhe
flacher und ich hab sie ˗ zugegeben, relativ ungern ˗ schon ein paar Mal
getragen. Dass sich die deutschen Organisatorinnen für Ballerinas und bequeme
Schnürschuhe entschieden haben, muss ich wohl nicht hinzufügen.
Die polnische Fraktion zeigt ihre Schuhe
Foto:
Polschland
Es ist aber alles andere als einfach, in Polen solche
Schuhe zu tragen. Jeder, der schon mal in Polen war, weiß über den Zustand dortiger
Gehwege Bescheid. Denjenigen, die es noch nicht wissen, sage ich nur eins: die
Qualität der Bürgersteige ist meistens mehr als schlecht. Ein einfacher Spaziergang
gleicht fast einem Hindernislauf, in dem man sich voll konzentrieren muss, dass
man sich keinen Schaden zufügt. Dies hält die Polinnen jedoch nicht ab, im Alltag
echte Killer Heels zu tragen. Wie oft habe ich gesehen, wie eine junge Mutter so
ausgestattet einen großen Kinderwagen mit ihrem Sprössling schob oder bewunderte
eine mit üppigen Einkaufstaschen aus dem Supermarkt zurückkehrende Dame. An die
Bilder kann ich mich noch jetzt gut erinnern, da ich mir in solchen Situationen
bittere Vorwürfe meines Lebensgefährten anhören muss, der mir mit gedämpfter
Stimme ins Ohr zischt: „Siehst du? SIE kann es doch!“. Denn wenn es um die Höhe
der Absätze geht, habe ich mich schon längst germanisiert.
Ein Bürgersteig in Rzeszów
Quelle:
http://www.rzeszow4u.pl
Diejenigen polnischen Frauen, die im Alltag doch
ein bequemeres Schuhwerk bevorzugen, sind aber mindestens einmal in der Woche
in Stöckelschuhen zu sehen: sonntags in der Kirche nämlich. Das Phänomen lässt
sich nicht nur in Polen, sondern auch in polnischen Gemeinden in Deutschland
beobachten. Es gibt mindestens zwei Gründe dafür. In vielen Familien zieht man zum
Gottesdienst seine Festtagskleidung an, die durch solche Schuhe unterstrichen
wird. Dazu noch wird man oft zur Kirche gefahren, selbst wenn man zum
Gotteshaus nur wenige hundert Meter hat. Wenn nicht, gehen die Damen oft von
ihrem Gatten gestützt Arm in Arm. Obwohl ich in Polen zur Kirche meistens
kutschiert werde, vor High Heels hindert mich noch eine Sache insbesondere ˗
und zwar die glatten Fliesen. Der Boden schreckt mich so ab, dass ich die Stöckelschuhe
an diesem Ort vermeide. Es kann gut sein, dass sich deshalb ein paar peinliche
Momente ersparen ließen.
Die Vorliebe der Polinnen, hohe Schuhe zu
tragen, nahm ich natürlich nicht als einzige wahr. Eine Bekannte aus den USA,
die an meiner Uni ein Auslands-Wintersemester verbringen sollte, hat es
ebenfalls gemerkt und beschloss, noch vor dem Studienanfang sich ein Paar zuzulegen.
Kurzerhand kaufte sie schicke Stiefel, die selbstverständlich mit einer
ordentlichen Absatzhöhe ausgestattet waren. Und dies obwohl sie eigentlich nie
solche Schuhe trug und ihr die nötige Erfahrung fehlte. Der große Tag kam. Die
Amerikanerin verließ ihr Zimmer und eilte zu ihrer ersten Vorlesung,
verunsichert durch ihre mangelnden Polnischkenntnisse, die neue Situation und ˗
natürlich ˗ Stöckelschuhe. Zu Recht, denn auf dem Weg zur Uni (und es waren
lediglich ein paar Meter) landete sie zweimal auf dem Boden. Einen schlimmeren
Semesteranfang hätte sie sich bestimmt nicht vorstellen können.
Eine deutsche Abiturientin, die ich kannte, war
nach ihrem Schüleraustausch ebenso von der Kunst der Polinnen, hohe Schuhe zu
tragen, beeindruckt. Es blieb ungesagt, aber sie war auch ein wenig neidisch,
glaube ich. Von ihrem Freund, einem Russlanddeutschen, wusste sie dennoch, dass
die Frauen in der ehemaligen Sowjetunion sich in NOCH krasserem Schuhwerk auf
die Straßen wagen ˗ und das, obgleich die Straßenschäden NOCH schlimmer sind.
Zugegeben, der Kauf modischer Stöckelschuhe fällt
in Polen leichter. Da es in meinem Heimatland so viele High Heel-Fans gibt, ist
auch die Auswahl der Modelle größer. Was ich in Deutschland vermisse, ist z. B.
die polnische Schuhgeschäftkette CCC, die in jeder Saison zahlreiche Frauen
beglückt. Es wundert mich immer, warum sich die Firma noch nicht auf den
deutschen Markt traute.
Um alle meine deutschen Leserinnen zu trösten, verrate
ich, dass die Polinnen auch ihre begrenzte Ausdauer haben. In vielen Fällen
wird still gelitten und die gute Miene zum bösen Spiel gemacht, wenn sich die
schicken Absatzschuhe als ein wahres Folterwerkzeug entpuppten. Die Wunden
werden nach einem kritischen Spaziergang zu Hause behandelt. Wenn es um längere
Anlässe geht, wie eine Hochzeit zum Beispiel, hat fast jede Dame (samt Braut) ein
Ersatzpaar Ballerinas oder Sandaletten parat. Wenn nicht, wird zu späterer
Stunde einfach barfuss getanzt. Für mich persönlich ist das ein No-Go und ich
kämpfe bis zur letzten Minute des Festes ˗ denken Sie aber bitte nicht, dass
dies keinen Preis hat…
Ein Zitat aus einem Drama von Stanisław Wyspiański
(„Wesele“/“Hochzeit“) lautet: Trza być w butach na weselu! (Auf einer Hochzeit
muss man Schuhe tragen!) Zur späteren Stunde darf aber barfuss getanzt werden…
Quelle:
youtube.com
Schon lange bevor die Fernsehserie „Szpilki na Giewoncie“ („High Heels auf
Giewont“) produziert wurde, waren die Stöckelschuhe in der Hohen Tatra präsent.
Das Foto, das seinerzeit für Furore sorgte, zeigt eine junge Frau auf
Gubałówka. Die weißen Stiefel erlangten in Polen mittlerweile absoluten
Kitschstatus.
Quelle: http://www.grzenda.pl
Zum Weiterlesen
PL
Es war mal ein Hobby von Vielen ˗ die Foto-Jagd auf
gestiefelte Frauen. http://bialekozaczki.blog.pl/
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