Montag, 7. Oktober 2013

Polinnen und Deutsche ˗ Das sind zwei Paar Schuhe / Polki i Niemki to dwie pary... szpilek?


Einer der größten Unterschiede zwischen dem Aussehen der polnischen und deutschen Frauen ist für mich deren Schuhwerk. Über die Schuhvorlieben der Deutschen schreibe ich ein anderes Mal, weil das heutige Thema mehr als weitreichend ist.

Polnische Frauen lieben Stöckelschuhe. Eine Wette, ob man in fünf Minuten auf einer polnischen Straße mehr zählt, als auf einer deutschen, könnte ich mit Links gewinnen. Die Stöckelschuhe gelten in Polen als Krönung der Weiblichkeit und das i-Tüpfelchen jeder festlichen Kleidung. Als ich vor ein paar Jahren mit einem deutsch-polnischen Frauenteam eine Vernissage organisiert habe, kam dies besonders klar zum Vorschein. Die polnische Künstlerin rannte noch wenige Stunden vor ihrem großen Moment ins Modegeschäft und kaufte dort Zehn-Zentimeter Heels, die sie zuvor nur in Modezeitschriften gesehen hatte, geschweige denn auf ihrem Leib getragen hatte. Bis zum Ende der Veranstaltung hielt sie es in ihrem Neukauf nicht aus, aber ein großer Auftritt war gemeistert. Mir ging es einen Tick besser. Immerhin waren meine Schuhe flacher und ich hab sie ˗ zugegeben, relativ ungern ˗ schon ein paar Mal getragen. Dass sich die deutschen Organisatorinnen für Ballerinas und bequeme Schnürschuhe entschieden haben, muss ich wohl nicht hinzufügen.



Die polnische Fraktion zeigt ihre Schuhe 
 Foto: Polschland


Es ist aber alles andere als einfach, in Polen solche Schuhe zu tragen. Jeder, der schon mal in Polen war, weiß über den Zustand dortiger Gehwege Bescheid. Denjenigen, die es noch nicht wissen, sage ich nur eins: die Qualität der Bürgersteige ist meistens mehr als schlecht. Ein einfacher Spaziergang gleicht fast einem Hindernislauf, in dem man sich voll konzentrieren muss, dass man sich keinen Schaden zufügt. Dies hält die Polinnen jedoch nicht ab, im Alltag echte Killer Heels zu tragen. Wie oft habe ich gesehen, wie eine junge Mutter so ausgestattet einen großen Kinderwagen mit ihrem Sprössling schob oder bewunderte eine mit üppigen Einkaufstaschen aus dem Supermarkt zurückkehrende Dame. An die Bilder kann ich mich noch jetzt gut erinnern, da ich mir in solchen Situationen bittere Vorwürfe meines Lebensgefährten anhören muss, der mir mit gedämpfter Stimme ins Ohr zischt: „Siehst du? SIE kann es doch!“. Denn wenn es um die Höhe der Absätze geht, habe ich mich schon längst germanisiert. 


Ein Bürgersteig in Rzeszów 
Quelle: http://www.rzeszow4u.pl

Diejenigen polnischen Frauen, die im Alltag doch ein bequemeres Schuhwerk bevorzugen, sind aber mindestens einmal in der Woche in Stöckelschuhen zu sehen: sonntags in der Kirche nämlich. Das Phänomen lässt sich nicht nur in Polen, sondern auch in polnischen Gemeinden in Deutschland beobachten. Es gibt mindestens zwei Gründe dafür. In vielen Familien zieht man zum Gottesdienst seine Festtagskleidung an, die durch solche Schuhe unterstrichen wird. Dazu noch wird man oft zur Kirche gefahren, selbst wenn man zum Gotteshaus nur wenige hundert Meter hat. Wenn nicht, gehen die Damen oft von ihrem Gatten gestützt Arm in Arm. Obwohl ich in Polen zur Kirche meistens kutschiert werde, vor High Heels hindert mich noch eine Sache insbesondere ˗ und zwar die glatten Fliesen. Der Boden schreckt mich so ab, dass ich die Stöckelschuhe an diesem Ort vermeide. Es kann gut sein, dass sich deshalb ein paar peinliche Momente ersparen ließen.

Die Vorliebe der Polinnen, hohe Schuhe zu tragen, nahm ich natürlich nicht als einzige wahr. Eine Bekannte aus den USA, die an meiner Uni ein Auslands-Wintersemester verbringen sollte, hat es ebenfalls gemerkt und beschloss, noch vor dem Studienanfang sich ein Paar zuzulegen. Kurzerhand kaufte sie schicke Stiefel, die selbstverständlich mit einer ordentlichen Absatzhöhe ausgestattet waren. Und dies obwohl sie eigentlich nie solche Schuhe trug und ihr die nötige Erfahrung fehlte. Der große Tag kam. Die Amerikanerin verließ ihr Zimmer und eilte zu ihrer ersten Vorlesung, verunsichert durch ihre mangelnden Polnischkenntnisse, die neue Situation und ˗ natürlich ˗ Stöckelschuhe. Zu Recht, denn auf dem Weg zur Uni (und es waren lediglich ein paar Meter) landete sie zweimal auf dem Boden. Einen schlimmeren Semesteranfang hätte sie sich bestimmt nicht vorstellen können.

Eine deutsche Abiturientin, die ich kannte, war nach ihrem Schüleraustausch ebenso von der Kunst der Polinnen, hohe Schuhe zu tragen, beeindruckt. Es blieb ungesagt, aber sie war auch ein wenig neidisch, glaube ich. Von ihrem Freund, einem Russlanddeutschen, wusste sie dennoch, dass die Frauen in der ehemaligen Sowjetunion sich in NOCH krasserem Schuhwerk auf die Straßen wagen ˗ und das, obgleich die Straßenschäden NOCH schlimmer sind.

Zugegeben, der Kauf modischer Stöckelschuhe fällt in Polen leichter. Da es in meinem Heimatland so viele High Heel-Fans gibt, ist auch die Auswahl der Modelle größer. Was ich in Deutschland vermisse, ist z. B. die polnische Schuhgeschäftkette CCC, die in jeder Saison zahlreiche Frauen beglückt. Es wundert mich immer, warum sich die Firma noch nicht auf den deutschen Markt traute. 

Um alle meine deutschen Leserinnen zu trösten, verrate ich, dass die Polinnen auch ihre begrenzte Ausdauer haben. In vielen Fällen wird still gelitten und die gute Miene zum bösen Spiel gemacht, wenn sich die schicken Absatzschuhe als ein wahres Folterwerkzeug entpuppten. Die Wunden werden nach einem kritischen Spaziergang zu Hause behandelt. Wenn es um längere Anlässe geht, wie eine Hochzeit zum Beispiel, hat fast jede Dame (samt Braut) ein Ersatzpaar Ballerinas oder Sandaletten parat. Wenn nicht, wird zu späterer Stunde einfach barfuss getanzt. Für mich persönlich ist das ein No-Go und ich kämpfe bis zur letzten Minute des Festes ˗ denken Sie aber bitte nicht, dass dies keinen Preis hat…


Ein Zitat aus einem Drama von Stanisław Wyspiański („Wesele“/“Hochzeit“) lautet: Trza być w butach na weselu! (Auf einer Hochzeit muss man Schuhe tragen!) Zur späteren Stunde darf aber barfuss getanzt werden…
Quelle: youtube.com


Schon lange bevor die Fernsehserie  „Szpilki na Giewoncie“ („High Heels auf Giewont“) produziert wurde, waren die Stöckelschuhe in der Hohen Tatra präsent. Das Foto, das seinerzeit für Furore sorgte, zeigt eine junge Frau auf Gubałówka. Die weißen Stiefel erlangten in Polen mittlerweile absoluten Kitschstatus.


Quelle: http://www.grzenda.pl




Zum Weiterlesen

PL

Es war mal ein Hobby von Vielen ˗ die Foto-Jagd auf gestiefelte Frauen. http://bialekozaczki.blog.pl/
 
Der Titel „Wysokie Obcasy“ lässt sich als „Hohe Absätze“ übersetzen und ist ein Sonntagsfrauenmagazin, das mit der Zeitung „Gazeta Wyborcza“ verkauft wird. Empfehlenswert! http://www.wysokieobcasy.pl

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